Und ewig lockt der Irrsinn

Ein gut zweistündiger Fußmarsch von Donostia-San Sebastián zum Restaurant Mugaritz, inklusive eines Angriffs durch einen wild gewordenen Hund, der mit einer zerfetzten Hose, aber letztendlich erfolgreicher Flucht endete, war sicherlich ein genauso großes Erlebnis wie das diesjährige Menü im Mugaritz selbst. Komplett verschwitzt und mit einigen körperlichen sowie kleidungstechnischen Blessuren schmeckt dann ein guter Aperitif in Form eines sehr, sehr guten Txakolis aus Getaria im Außenbereich des Restaurants umso besser.

Das diesjährige Menü im Mugaritz war, wie in den letzten Jahren, ein künstlerischer Exzess, über den Männer, Frauen und Diverse entweder nur den Kopf schütteln können oder mit dem man sich intensiv, nachdenklich und mit einer gewissen Lockerheit auseinandersetzen kann. Das hier inszenierte und gespielte Ess-Kunst-Theater hat inzwischen in jedem Fall so skurrile Züge angenommen, dass es fast mehr Spaß macht, die anderen Gäste im Restaurant zu beobachten, als sich selbst mit den einzelnen Gängen zu beschäftigen.

Der Höhepunkt war hier ohne Frage ein gummiartiges Fragment, eine Nachbildung eines Bauchnabels, das wohl mit einer Salz-Wasser-Lösung gefüllt war und von den Gästen aufgeleckt werden sollte. Ein Gang, der symbolisch für die erste Essensversorgung über den Bauchnabel eines jeden Erdenbürgers stehen sollte. Skurril, witzig, aber eben auch extrem schräg.

Ein weiterer Höhepunkt im Menü 2024 des Mugaritz war das Scannen eines QR-Codes. Der Aufforderung des Servicepersonals, diesen QR-Code mit dem Handy zu scannen, kamen nach und nach alle Gäste im Restaurant nach. Der Link des QR-Codes führte die etwas verwirrten Experimentteilnehmer auf eine Soundseite des Restaurants, auf der fünf singende Schafsymbole hinterlegt waren. Die neugierigen und smartphone-erprobten Gäste testeten natürlich sofort mit ihren Wurstfingern die unterschiedlichen Touchscreen-Möglichkeiten auf dieser Soundseite, und so mähten, blökten und jammerten nach und nach diverse Schafslaute durch den sanft illuminierten Speiseraum des Mugaritz. Welch ein herrliches Spektakel!

Ein Gourmet-Tempel wird von jetzt auf gleich in eine Schafsweide verwandelt, und die Gäste interagieren dabei unbewusst und perplex einfach mit. Das Smartphone wird dabei als Brücke zwischen Realität und Fantasie eingesetzt, und die Küche serviert nach diesem kurzen und intensiven gemeinsamen Zwischenspiel als nächsten Gang ein Stück Schafskäse.

Und der Rest vom Mugaritz-Event? Gewohnt kreativ, mit neuen Geschmackskomponenten gespickt, wild, nachdenkenswert und bis in die Haarspitzen provozierend anders. Aber genau das ist auch der Grund, einmal im Jahr hierhin zu laufen, zu fahren oder irgendwie aufzuschlagen.

Fingerfood: Blüten, Fenchel, Trüffel, Kombucha/Tomate/Zwiebel-Gelee.

Mugaritz, Aldura Aldea 20, 20100 Errenteria, Spanien, Telefon: +34 943 52 24 55, www.mugaritz.com