Ein außergewöhnlicher Weinjahrgang: Von Herausforderungen und Höhepunkten
Genauso spannend wie der Jahresverlauf zeigen sich jetzt auch die Jungweine im Keller: schöne Säurestruktur, vielfältige Aromatik, belebend-quirlig, kräutrig, saftig, herkunftsbetont – sehr attraktiv und vielversprechend. Der Jahresverlauf hätte für unseren Geschmack etwas weniger aufregend sein können. Aber wir sind dankbar, dass wir von jeglichen Unwettern und Frost verschont geblieben sind. Dies war nicht allen Kollegen vergönnt.
Der eher milde Winter war eine trübe und feuchte Angelegenheit. Die Wasserspeicher wurden gut gefüllt. Auf den kühlen März folgte Mitte April sonniges, mildes Frühlingswetter. Der Mai brachte zunächst wieder Regen, aber dann sorgten warme, sonnige Tage für ein rasantes Wachstum der Reben und für einen unerwartet frühen Blütebeginn um den 8. Juni 2023. Bis Ende Juli zeigte sich der Sommer trocken und sehr warm, bevor großflächiger Landregen wieder für Entspannung sorgte. Auch der August war bei moderaten Temperaturen meist nass. Ende August kam der Sommer zurück und hielt sich auch noch im September. Die Reife der Trauben schritt schnell voran.
In der zweiten Septemberwoche kletterte das Thermometer auf bis zu 34°C. Die Witterungsverhältnisse während der Vegetationsphase und die hohe Luftfeuchtigkeit in August und September in Verbindung mit der Wärme waren eine Herausforderung für den Gesundheitszustand der Trauben. Allerdings kam der Riesling noch verhältnismäßig gut mit diesen schwierigen Bedingungen zurecht. Mit einer gezielten Laubarbeit sorgten wir zudem für eine gute Belüftung und Gesundhaltung der Trauben. In Erwartung einer „Turbolese“ entschlossen wir uns früh mit der Ernte zu starten. Die Reife der Trauben war in einigen Parzellen schon vorhanden und der Geschmack fantastisch!
So begannen wir bereits am 15. September 2023 mit der Traubenlese – am Tag der Versteigerung in Trier.
Glücklicherweise konnten die meisten Helfer kurzfristig früher anreisen. Durch den frühen Lesebeginn verschafften wir uns Zeit, erforderliche, penible Selektionen bestmöglich vornehmen zu können, ohne direkt unter Zeitdruck zu stehen. Zudem konnten wir so die „Frische“ erhalten, die uns jetzt in den Jungweinen fasziniert. Anders als erwartet verlangsamte sich die Reifeentwicklung, was uns sehr entgegenkam. Noch mehr als sonst war es im Herbst 2023 von größter Wichtigkeit, jederzeit alle Parzellen im Blick zu haben und die Lesestrategie täglich zu überdenken, denn der Reifeverlauf verlief anders als sonst. Das stabile, trockene Wetter während der Lese war sehr vorteilhaft.
Auch die Nächte wurden Ende September wieder kühler. Einmal mehr waren wir froh über unsere erfahrenen Helfer, die uns jedes Jahr unterstützen. Nach vier Wochen konnten wir die Lese am 12. Oktober 2023 zufrieden abschließen.
Die Moste schmeckten hervorragend, die Gärung erfolgte zügig und problemlos. Wehlen beschenkte uns mit einem fruchtbetonten Kabinett und hochedlen Beeren für eine prächtige Auslese, die wir im Rahmen der Versteigerung anbieten werden. In Graach wuchsen Trauben für rassige, verspielte Kabinette und tiefgründige Spätlesen. Edle Botrytistrauben aus dem Domprobst ergaben eine wunderbare, hochwertige Auslese. Allerdings ist die Menge an Auslese homöopathisch. Der Jahrgang brachte keine trockenen und feinherben Ortsweine hervor und auch kein Grosses Gewächs. Umso glücklicher sind wir über die strahlenden und authentischen Weine, die wir ernten durften! Text: Andrea und Christoph Schäfer