Rosado
Auch wenn viele sagen, dass nach der Corona-Krise alles ganz anders werde, sind da zwei Dinge einzuwerfen: erstens hat man das auch schon nach anderen Krisen gesagt, ohne dass sich das dann irgendwie manifestiert hat, und zweitens: der Natur, dem Klima, der Sonne, dem Mond und den Sternen ist der Virus (in der Bärwelt ist er männlich) aber sowas von egal. Die Sonne trägt keine Maske; okay, sie hält glücklicherweise auch den Mindestabstand von zwei Metern zur nächsten Sonne ein.
Was will uns all das sagen? Nun: es wird einen Sommer geben, mit hohen Temperaturen, und es wird ein Bestreben geben, diesen Sommer mit Wein zu begleiten. Wo und wie, das steht auf einem anderen Blatt. Und desderweign und douderhalb (Bären sprechen untereinander oubärfrenggisch) müssen wir uns mal mit Sommerweinen beschäftigen, mit den rosafarbenen.
Kann Spanien rosé?
Platte Antwort: Klar! Nur muss man da schon aufpassen. Erst einmal unterscheiden sich die Vorschriften in Spanien von denen im deutschsprachigen Raum, denn in Spanien darf man weiß mit rot vermischen, ohne vor dem Kadi zu landen. In Deutschland ist das laut Weingesetz nur für Schaumweine zulässig. Auch darf man in Spanien aus „grauen“ Sorten rosafarbenen Wein herstellen, etwa aus Garnacha gris (roja), in Deutschland ist das nicht nur verpönt, sondern sogar verboten. Dafür darf man dort aus Dornfelder Rosé keltern, was der Rest der Welt nicht wirklich versteht. Anyway, zurück zu Spanien.
Die noch immer wichtigste Form der Rosadobereitung ist die Kelterung aus einer Rotweinsorte, meist Tempranillo oder Garnacha. Da in Spanien lange Zeit ein eher dunkler Typ angesagt war, nutzte man gerne das Saignée-Verfahren, will sagen man zieht von maischendem Rotwein nach einer Zeit X oben etwas ab und erhält ein Getränk mit viel Farbe, aber wenigen Tanninen, weil sich jene ja noch an die Schalen der Beeren klammern.
Natürlich kann man die Trauben auch gleich pressen, das gibt dann etwas hellere Weine, aber dann kommen auch schnell Bitterstoffe hinzu. Ein „Vorteil“ des Saignée-Verfahrens ist die Erntelogistik, man muss die Rosado-Trauben nicht extra lesen, man nimmt einfach den Most für Rotweine. Ein Nachteil: der Zucker befindet sich ja im Saft, will sagen im Saignée-Rosado ist in etwa genausoviel Zucker wie im restlichen Rotweinmost. Das läuft dann schon einmal auf Vierzehnprozenter hinaus, die nun wirklich nicht sommertauglich sind; außer in der Mancha, aber da will gerade keiner hin. Erntet man hingegen früh, dann handelt man sich schnell mal Bitterstoffe, unreife Phenole, schwappende Säuren und andere Dinge ein, die das Herz der Önologin schneller schlagen lassen.
Rosados dieser Art findet man überall dort, wo weiße Trauben Mangelware sind. In Toro etwa, im Priorat, in Bullas und Jumilla. Die Rioja ist auch voll von so was. Es gibt nur wenige Roséweine von dort, die wirklich Spaß machen.
In Castilla sind die Sachen anders gelagert, denn hier, zwischen Aranda und Tordesillas, kelterte und keltert man einen anderen Typus Wein: Clarete. Einheimische trinken zu Milchlamm, soll es in Ribera del Duero da oder dort in Mesones geben, gerne Clarete, weil der einfach leichter durch die Kehle rauscht. Außerdem gibt es da keine störenden Tannine. Clarete wird in der Region vor allem aus Tinta del País (Tempranillo) und Albillo Mayor gekeltert. Je näher man sich an Rueda heranwagt, desto präsenter ist Verdejo. Der Klassiker indes besteht aus achtzig Prozent Tinta del País und zwanzig Prozent Albillo Mayor. Lange Zeit war Viña Pilar, der Clarete von Bodegas Felix Callejo, der Referenz-Clarete schlechthin, jede und jeder, im Weinbusiness in Spanien aktiv, kannte diesen Wein. Dieses Potential hat José Felix etwas verspielt. Schade, eigentlich.
Fast ganz Ribera del Duero bestand vor hunderten von Jahren aus Clarete, Rotwein gab es nur an wenigen Stellen, etwa in Fuentelcésped, wo die Trauben gut ausreifen können, zu gut in manchen Jahren. Aber fast all das, was in Roa und um Roa und um Roa de Duero herum gesoffen wurde, war Clarete. Waschechten Rotwein gab es in Castilla in jenen Zeiten aus Toro (einschließlich Tierra del Vino de Zamora), frische (mehr oder weniger) Weißweine von der Asociación de Viticultores Medina del Campo, woraus später mal die Weinbauregion Rueda wurde. Ansonsten claretete man sich so durch den Tag und durchs Jahr.
Diese Tradition überlebt heute vor allem in der Weinbauregion Cigales, in der es zwar auch den einen oder anderen schluckbaren Rotwein gibt, das Gros indes ist rosafarben. Zwei Drittel aller Weine mit Cigales-Rückenetikett sind Rosados, einen größeren Rosado-Anteil gibt es in keiner anderen Weinbauregion Spaniens. Es gibt ein paar wirklich gute, die Tendenz geht, zumindest in Sachen Export, eher zu den nicht ganz so dunklen Rosados, manche kann man sogar im zweiten Sommer noch trinken.
Das war nicht immer so. Noch vor zwanzig Jahren waren die Rosados der Region eher Schwergewichte, man kelterte helle Rotweine. Den turn hin zu moderneren Weinen schafften zwei Kellereien: César Príncipe in Fuensaldaña sowie Bodegas Sinforiano in Mucientes. Ignacio Príncipe und Ruth Sierra basteln mit Verdejo und Albillo Mayor, der Tempranillo-Anteil liegt in der Regel bei sechzig bis achtzig Prozent. Ein Ausreißer, vielleicht der beste Rosado dieser Region, nennt sich Quelías (Bären sagen K-Elias), ein betont heller Wein, mit fünfzig Prozent Albillo Mayor und dreißig Prozent Garnacha tinta, Tempranillo kommt nur bedingt vor.
Natürlich gibt es in Ribera del Duero und in der Rioja den einen oder anderen hochklassigen Rosado, Bertrand Sourdais oder Jorge Monzón basteln solche Weine, für die man dann in einem Restaurant aber schon mindestens einen braunen Schein auf den Tisch legen muss, für einen Kronenvirussommer ist so etwas eher weniger geeignet.
International bekannt für Rosados ist Nafarroa, Navarra sagen die Castellanos; dies ist aber in der Historie begründet, man spricht von Zeiten, in denen die Rosados anderer Regionen noch grausamer waren. Klar, den einen oder anderen Rosado aus der Ecke kann man trinken, für Aragón gilt das gleiche, aber so richtig spannend ist das alles nicht. Dann eher auf Catalunya setzen.
Dort gibt es zwei wichtige Rosat-Regionen: Conca de Barberà und Empordà. In der Conca macht man guten Rosat aus Trepat, leider macht man dort aus Trepat auch schlechten Rosat, blind kaufen ist nicht angesagt. In Empordà ist die Vielfalt vielfältiger: es gibt Rosat aus Garnacha gris (roja), aus Garnacha mit Cariñena (zur Not kann man damit Sonnwendostereier färben), Garnacha und/oder Cariñena mit Moscatel, mit Viura, mit Garnacha blanc, eigentlich gibt es alles. Im Osten stehen die Reben auf Schiefer, in der Mitte auf Sandstein, die Weine sind unterschiedlich, aber gut trinkbar. Je höher der Anteil von weißer oder grisener Garnacha ist, desto langlebiger sind die Weine. Aber eigentlich muss man nicht warten, die guten Weingüter bringen jedes Jahr ordentliche Rosats auf den Tisch, so unterschiedlich ist das Klima dann doch nicht.
Wir lernen: Spanien kann Rosado und Rosat und der Sommer kann kommen! Text: el oso alemán