Axarquía – ¿al-Andalus Grand Cru?
Es ist nicht so ganz exakt geklärt, wer denn nun die ersten Rebstöcke in die wilden Felsen gesetzt hat. Die Phönizier waren es wohl nicht, denn die waren eher an Häfen und Siedlungen interessiert. Somit kommen eigentlich nur die Griechen und die Römer infrage. Für die Griechen spricht, dass es dort auch eine Rebsorte gibt, welche die Einheimischen Vijiriega nennen. Ein findiger Weinprediger hat mal gesagt, dass man nur das zweite „i“ streichen und das „j“ durch ein „g“ ersetzen müsse, um der Lösung nahezukommen: Vigriega. Gut, mit der gleichen Philosophie könnte man auch behaupten, dass Koma aus Roma stamme. Lassen wir das…
Die Axarquía ist ein großer Bogen, der östlich von Málaga beginnt und in Nerja, wenige Kilometer von der Provinzgrenze gen Granada wieder endet. Die Küste gehört dazu, auch wenn man dort vor lauter Bebauung keine Reben findet, das Hinterland ebenso. Dort findet man Rebstöcke ohne Ende, dafür kaum Bebauung.
Wie viele Gegenden in al-Andalus ist auch die Axarquía äußerst dünn besiedelt. Mit Vélez-Málaga gibt es einen etwas größeren Ort, alle anderen Dörfer haben sich dort angesiedelt, wo man bauen kann. Und das sind nicht viele Stellen. Denn das, was sich zwischen der Sierra de Málaga im Westen und den Sierras de Tejeda und Almijara im Osten befindet, ist steilstes Land. Und alles ist Schiefer, rotbrauner Schiefer, ölhaltig, kleinblättrig, nicht selten leicht verwittert.
Dort stehen Reben, in der Regel handelt es sich um Moscatel de Alejandría, Pedro Ximén(ez) folgt mit respektvollem Abstand, auf steilem Geläuf. Die Römer, vielleicht auch die Griechen, die Mauren, die Rückeroberer und die Andalusier aller Zeiten kultivierten Rebstöcke, weil sie an den Trauben interessiert waren und es auch heute noch sind. Rosinen ist das Zauberwort, kann man doch mit perfekt getrockneten Trauben wesentlich mehr Geld verdienen als mit dem Abliefern der Trauben in einer Genossenschaft oder einer Großkellerei. Die Herbstsonne trocknet schnell, man kann die Trauben einfach in großen Becken schrumpfen lassen, ein Netz darüber gespannt, um die Vögel abzuhalten.
Weingüter findet man, von der Großkellerei Ucopaxa aus Vélez einmal abgesehen, nur an den Rändern der Region, im Osten und im Westen. Um in den Osten zu gelangen, an die Füße der Sierra de Almijara und der Sierra de Tejeda, muss man von Vélez oder von Nerja aus gen Cómpeta den Berg hoch, von dort geht es dann am Rand des Gebirges weiter, Kurve nach Kurve; gut, dass Bären Auto fahren dürfen.
Hier begann vor langer Zeit ein gewisser Telmo R., seine Mountain Wines zu fabrizieren, fast zwanzig Jahre gibt es die nun schon. Eine eigene Bodega indes hat Telmo nicht, die Weine entstehen in einer Halle in Cómpeta, ein viertausend Einwohner umfassendes Dorf, von denen mehr als die Hälfte nicht aus Spanien stammt. Holländer dominieren. Es gibt auch ein Weingut mitsamt Restaurant, Bodegas Bentomiz, etwas weiter unten am Hang gelegen, das von einer Holländerin geleitet wird. Sie mag Merlot, der Bär eher nicht. Die wirklich richtig spannenden Weine findet man weiter nördlich am Hang, gefühlt siebenhundert und dreiundzwanzig Kurven von Cómpeta entfernt, nördlich von Sedella, in einer Bodega Namens Bodega Sedella, ein besseres Hobby von Lauren Rosillo. Über seine beiden Rotweine Sedella und Laderas de Sedella hat der Bär vor einigen Monaten schon einmal berichtet; man kann dies eine Arche Noah der Weinkultur nennen, weil dies wohl die einzige Parzelle in ganz al-Andalus ist, in der viele alte Rebsorten, sonst fast überaus herausgerissen, überlebt haben und in zwei Weinen den Weg zum Weinfreund finden. Inzwischen gibt es einen dritten Wein, so richtig spannend. Und weiß. Lauren hat den Weinbauern des Ortes ein paar Parzellen weißer Anlagen abgeschwatzt, Weinberge (yesss, die hängen an Hängen), in denen diverse alte weiße Sorten stehen: Doradilla, Mantúo blanca, Vijiriega, Romá blanca, Moscatel und noch einige mehr. Diese Weinberge nennen die Einheimischen Vidueños, sie wurden vor vielen Jahrzehnten bestockt, heute würde das wohl kaum jemand mehr machen. Die Erträge sind mickrig, wenn man an die Dinge mit Sachverstand herangeht, dann können da große Weine entstehen, nicht süß, sondern eher dicht, kompakt, stoffig, ein wenig erinnern sie an die nördliche Rhône. Ein Teil des Weines wird in einem Zementei ausgebaut, der Rest in einem Barrique. Nicht viel mehr als dreizehnhundert Flaschen des Sedella Vidueño gibt es derzeit, wobei die Menge steigen kann, da es da schon noch ein paar Parzellen gibt und Lauren durchaus gut schwatzen kann…
Eine ganz andere Revolution findet derzeit im Westen der Region statt, in Moclinejo. Neuerdings wagen sich auch Jorge Ordóñez und, mit eigener Bodega, Victoria Ordóñez in die Gegend, sagen sie zumindest. Aber eigentlich sind beide eher in der granitgeprägten Sierra de Málaga, etwas weiter im Westen gelegen, zuhause. Aber die beiden leben ohnehin in ihren eigenen Welten. Zurück auf diese Erde!
Das einzige Dorf im Westen der Axarquía, in dem eine Bodega zu finden ist, nennt sich Moclinejo. Man findet es am Steilhang, ängstlich klammern sich die kleinen Häuser an den Boden, fürchtend, der starke Wind könne sie ins Meer tragen. Dort steht Dimobe, ein Getränke- und Sonstwasgroßhändler mit einer eigenen Bodega. Deren normale Weine sind bestenfalls normal, die Olorosos und Soleras und andere traditionellen Weine indes sind großartig, sie können durchaus mit denen aus Jerez oder Sanlúcar mithalten.
Das ist aber nicht die wirkliche Neuigkeit. In dieser Bodega hat sich auch ein aus Ronda bekannter Winzer eingerichtet, Vicente Inat, dort als Önologe diverser Bodegas beschäftigt. Da Vicente für seine inzwischen vier Weine nur die steilsten aller steilen Lagen sucht, hat er sein Projekt Viñedos Verticales getauft. Neuerdings gibt es einen verticalen Rotwein aus Romé, eine der klassischen roten Sorten aus al-Andalus. So richtig geht die Post aber bei den Weißweinen ab. Schon der Einstiegswein La Raspa ist ein frischer, fruchtbetonter, aber nicht üppig daherkommender Wein. Zwar besteht La Raspa zu achtzig Prozent aus Moscatel de Alejandría, jedoch sorgen die übrigen zwanzig Prozent Doradilla dafür, dass der Weine komplex und auch etwas körperbetonter daherkommt. Kleiner Nachteil: irgendwo im Körper der Flasche muss eine zweite Öffnung versteckt sein, denn kaum öffnet man eine Flasche ist die Flüssigkeit auch schon wieder weg. Und auch wenn es davon immerhin vierzehntausend Flaschen gibt: durstige Chinesen, Amis, Nordeuropäer und Andalusier sorgen dafür, dass Vicente kein großes Lager braucht.
Ein anderer Wein nennt sich Filitas y Lutitas, Phyllit und Lutit, Schiefer das eine, Tonstein das andere. Hier vereinen sich Moscatel de Alejandría und Pedro Ximén in eine Holzfuder, das Ergebnis ist ein stoffiger, körperbetonter Wein, der, vor kurzem ausprobiert, elegant neben einer Tüte bester Katoffelchips bestehen kann (Bonilla a la Vista aus A Coruña, zum Beispiel). Abgerundet wird das Programm durch einen klassischen Süßwein, nur aus Moscatel de Alejandría gewonnen. Dafür lässt der Bär dann auch einmal vom Honig ab. Aber nur kurz.
Rechnet man die Großkopferten Rodríguez und Ordóñez dazu, dann gibt es in der Axarquía heute fünf gute Weingüter. Da können in ein paar Jahren oder Jahrzehnten auch derer fünfundzwanzig stehen. Es bleibt spannend! Text: El oso alemán