Jerez
Huch, konnte man sich hier nicht so recht entscheiden? Oder warum steht ein und derselbe Ausdruck in drei Sprachen auf jeder Flasche aus Jerez - neben ebenjenem spanischem auch noch die lokale Dialektform Xérès und das englische Sherry, das weltweit wohl am geläufigsten ist für die berühmten Likörweine aus Andalusien. Man könnte aber gut und gerne noch einige weitere Sprachen hinzufügen, wollte man all diejenigen Nationalitäten abbilden, die irgendwann in der Geschichte einmal daran mitgewirkt haben, dass hier weltweit ganz und gar unverwechselbare Tropfen erzeugt werden können.
Im Detail
Jerez
Die der Phönizier etwa - vor etwa 3000 Jahren legten die Schiffe des in der Levante beheimateten Volkes im Süden der Iberischen Halbinsel an und brachten aus ihrer Heimat die ersten Rebstöcke mit. Die Römer fanden also bereits einen ausgedehnten und gut organisierten Weinbau vor, als sie um 200 v. Chr. herum die Herrschaft übernahmen. Nicht nur die vor Ort - man taufte ihn von Xera in Ceret um - stationierten Soldaten und Beamten vermochten versorgt zu werden, es blieben auch noch große Mengen übrig, die, abgefüllt in Tonamphoren, in andere Teile des Römischen Reiches exportiert werden konnten. Selbst als der Stern der Römer im Sinken begriffen war und die Westgoten den Landstrich unter ihre Kontrolle brachten, riss der Faden nicht ab - anders als die meisten anderen germanischen und slawischen Stämme, die während der Zeit der Völkerwanderung in die römischen Provinzen einfielen, zerstörten die Goten nicht wahllos alles, was sie vorfanden, sondern pflegten den Rebenbestand dauerhaft.
Die Zäsur, die den europäischen Weinbau im frühen Mittelalter nahezu allumfassend traf, kam schließlich auf anderem Wege: nicht aus dem Norden, sondern von Süden her. Zu Anfang des achten Jahrhunderts setzten die muslimischen Mauren von Nordafrika aus zum Sprung über die Meerenge an - fortan wurde die Stadt Sherish genannt. Da der von nun an tonangebende Islam keinen Alkoholgenuss duldet, wurden Weinberge gnadenlos gerodet, allein zur Herstellung von Rosinen für die von den Mauren so geschätzten Süßspeisen gab es Ausnahmen. Mehr als ein halbes Jahrtausend verging so, und während andernorts in Europa, in Frankreich oder an Rhein und Mosel etwa, unter der Herrschaft der Klöster schon längst wieder Weinbau betrieben wurde, war die Erinnerung daran in Jerez fast vollständig getilgt. Erst im Jahr 1264 gelang einem christlichen Heer die Rückeroberung dieses Teils der Iberischen Halbinsel, und damit kehrten auch die Techniken der Weinbereitung zurück. Die ansonsten eher strukturschwache Region, die noch lange Zeit an der umkämpften Grenze zwischen muslimisch und christlich kontrollierten Gebieten liegen sollte, worauf der Beiname Jerez’, „de la frontera“, hinweist, knüpfte schon bald darauf an ihre Zeit unter römischer Herrschaft an und verlegte sich ganz auf den Export des flüssigen Gutes, was in dieser Nachkriegszeit wie ein Konjunkturprogramm wirkte. Inzwischen hatte der Sherry sein Gesicht gewandelt: aus Still- war Likörwein geworden, was ironischerweise erst die von den Mauren übernommene Technik der Destillation ermöglicht hatte. Insbesondere als Proviant auf langen Schiffsreisen empfahl er sich dadurch, da er in Zeiten vor Schwefelung und Kellerhygiene durch seinen hohen Alkoholgehalt viel länger genießbar blieb als ungespriteter Wein. Die Probe aufs Exempel unternahm Ferdinand Magellan, der aus der Sherry-Region zu seiner Weltumseglung aufbrach - die dort zuvor von ihm als Verpflegung erstandenen Weine hatten also schon ganz früh das Zeug zu echten Globetrottern. Auch in die spanischen Kolonien in Südamerika lieferte man bald darauf große Mengen, was aus kleinen Weinbauern mit wenigen Morgen Rebfläche nach und nach aufstrebende Globalisierungsgewinner machte.
Einen weiteren zuverlässigen Abnehmer fand man schnell in den Engländern, die mangels eigenen Weinbaus auf Importeure angewiesen waren. Sherry galt auf der Insel zunächst als Geheimtipp, der von interessierten Kreisen zwar geschätzt wurde, es aber nicht zu außerordentlicher Bekanntheit brachte. Das sollte sich jedoch schlagartig ändern, als König Heinrich VIII. die Spanierin Katharina von Aragon heiratete - die erste seiner sechs Frauen brachte die andalusischen, damals vornehmlich süßen Weine mit in die Ehe. Vollends der Durchbruch gelang dem Sherry dann mithilfe eines gewissen Francis Drake, einer Art Pirat in Diensten der Krone, der im Hafen von Cadiz einen Teil der spanischen Armada versenkte und dabei eine große Menge ebenjenes Weines erbeutete. Was für Spanien zunächst wie ein äußerst ärgerlicher Vorfall schien, erwies sich im Nachhinein als unbezahlbare Werbung für die Region um Jerez: Königshaus und Adel in London waren nämlich hellauf begeistert von den Mitbringseln des Kaperfahrers und forderten fortan regelmäßig Nachschub jenes Tropfens, der im Englischen zunächst unter der Bezeichnung „Sack“ - abgeleitet vom spanischen „saca“ für Abfüllung - firmierte. Nicht nur die Erwähnung in etlichen Shakespeare-Dramen zeugt davon, dass Sherry damit endgültig auf der Weltbühne angekommen war - auch wenn er sehr lange Zeit, bis ins 20. Jahrhundert hinein, als ausgesprochen teuer galt und ein reiner Oberschicht-Genuss blieb. In der Folge ließen sich, genau wie im portugiesischen Porto, viele englische Handelshäuser direkt vor Ort nieder: die heutzutage großen Namen Sandeman, Williams & Humbert, Osborne und Co. stammen aus ebendieser Zeit. Niederländer und Deutsche zogen mit einiger Verzögerung nach. Diese drei Länder sind es auch, die noch immer die größten Mengen abnehmen - anders als in vielen anderen Weinbaugebieten, die den Löwenanteil ihrer Erzeugnisse selbst konsumieren, gehen vier Fünftel des Sherrys in den Export.
Phönizier, Römer, Mauren, Spanier und Briten - ein verworrenes Dickicht kultureller Einflüsse aus drei Jahrtausenden. Die Rebsortenvielfalt macht es uns da deutlich leichter, ist sie doch recht überschaubar - heutzutage zumindest, denn noch bis ins 19. Jahrhundert wurden im Grunde alle möglichen Sorten angebaut. Die Nummer eins, ohne die im Sherry-Land gar nichts läuft, ist der Palomino Fino - neun von zehn Rebstöcken entfallen auf diese sehr alte Traube, die der Legende nach den Namen eines der Offiziere trägt, die den Mauren Jerez wieder entrissen hatten. Ihre wahren Ursprünge liegen weitgehend im Dunkeln, allerdings kann sie mit hoher Wahrscheinlichkeit als autochthon betrachtet werden. Obwohl die Beeren einen recht intensiven Geschmack aufweisen und daher auch als Tafeltrauben geschätzt sind, gerät der Most sehr flach - er enthält kaum Zucker und ebenso wenig Säure. Gerade letzteres erweist sich allerdings im Hinblick auf das weitere Verfahren, dass aus dem normalen Stillwein erst einen Sherry macht, als sehr vorteilhaft, denn durch den niedrigen Säuregehalt neigt der Most zur Oxidation.
Ist Sauerstoffkontakt nicht nachteilig für einen Wein, mag sich nun jeder fragen, der schon mal einen seit zwei Wochen offenen, mittlerweile nah am Essig befindlichen Wein auf der Zunge hatte. Ja und nein. An dieser Stelle lohnt es sich, einmal einen Blick auf die Herstellung zu werfen - und vor allem auf die markanten Unterschiede während derselben. Sherry ist nämlich nicht gleich Sherry. Zum einen kennt man den Oloroso - hier ist der Name Programm. Der mit seiner Mahagonifarbe recht dunkle Wein duftet stark, vor allem nach Hasel- und Walnüssen oder feinem Tabak - das intensive Bukett verdankt er dem dauerhaften Sauerstoffkontakt während seiner Reifezeit in den „botas“ genannten Eichenfässern. Vom Oloroso und damit der Machart nach auch von anderen Likörweinen wie Madeira oder Port unterscheidet man den großen Bereich der Finos - eine Bezeichnung, die bereits verrät, dass es hier geschmacklich feiner zugeht als beim sehr vollmundigen Oloroso. Finos reifen nicht oxidativ, sondern reduktiv unter einer sogenannten Florschicht. Dabei handelt es sich um einen obenauf schwimmenden Teppich aus Hefe - durch das warm-feuchte Klima „erblüht“ dieser in den nicht vollständig gefüllten Fässern und hält Sauerstoff vom Wein fern. Die sich vom darin enthaltenden Zucker ernährende Hefe sieht alles andere als appetitlich aus, verleiht den strohgelben Finos aber seinen typischen Geschmack, der deutlich frischer, zitrisch-säurebetonter ist als jener des Oloroso und an Mandeln und Wiesenkräuter erinnert. Eine zusätzlich leicht salzige, herb-bittere Komponente bringt der Manzanilla mit ein - bei ihm handelt es sich faktisch ebenfalls um einen Fino, der aber ausschließlich aus Sanlúcar de Barrameda stammen darf, wo die Atlantikwinde einen ganz besonderen Einfluss auf die Reifung nehmen. Zusätzlich kennt man noch zwei Hybridformen, die der Art des Ausbaus nach als Fino beginnen, durch das plötzliche oder allmähliche Absterben der Florhefe aber in der letzten Phase ihrer Fassreife doch noch mit Sauerstoff in Kontakt kommen: den Amontillado und den Palo Cortado. Diese stehen nicht nur der Machart nach, sondern auch in Sachen Geschmack und Körper zwischen den beiden Polen: ersterer eher beim Fino, letzterer eher beim Oloroso.
Warum aber entsteht aus derselben Traube einmal ein Oloroso und ein anderes Mal ein Fino? Das Geheimnis liegt zum einen im Lesezeitpunkt der Palomino-Trauben: während man für oxidativ auszubauende Sherrys vollreife Beeren presst, nutzt man für die reduktiven noch nicht vollständig ausgereifte, was sich später auch im säurebetonteren Geschmack derselben widerspiegelt. Zum anderen liegt es in der Menge des zuvor dem Most zugegebenen Branntweines begründet: ist er beim Fino so gering, dass die Florbildung davon unbeeinträchtigt bleibt, lässt der höhere Alkoholgehalt des Olorosos kein Entstehen des Hefeteppichs mehr zu. Die Zugabe von Hochprozentigem hat sich also im Laufe der Zeit von einem rein konservierenden zu einem den Charakter des Weines bestimmenden Instrument gewandelt.
Jeder Sherry, ganz gleich ob heller oder dunkler, komplexer oder direkter, ist im Ursprung staubtrocken - ein sogenannter Generoso mit weniger als einem Gramm Restzucker pro Liter. Ein süßer Vertreter, am bekanntesten unter der Bezeichnung „Cream“, wird hingegen durch den Verschnitt eines trockenen Sherrys mit Süßwein oder häufig auch rektifiziertem Traubenmostkonzentrat erreicht - hinter dem sehr chemisch anmutenden Begriff verbirgt sich schlicht hochkonzentrierter Zuckersirup aus Weinbeeren, denen in einem thermischen Trennverfahren das Wasser entzogen wurde -, ein in der Weinindustrie wegen seiner Preisgünstigkeit gern genutzter Stoff. Es gibt allerdings auch sogenannte Dulces Naturales, also auf natürliche Weise süße Sherrys. Hier kommen die beiden Rebsorten ins Spiel, die dem Palomino in Jerez zur Seite stehen: der Moscatel, den man im Deutschen als Muskateller kennt, und der Pedro Ximenez, was wohl als eine Verballhornung des Namens Peter Siemens gelten kann - jener soll ein deutscher Soldat gewesen sein und die Traube einst ins Land gebracht haben. Beide werden nach der Lese zunächst in der Sonne getrocknet, um den Zuckergehalt zu erhöhen, gehen danach jedoch in Sachen Aromatik recht unterschiedliche Wege: während der Moscatel mit seinem sortentypischen, blumigen Bukett aufwartet und zumindest sensorisch von eher zurückhaltender Süße ist, wirft der Pedro Ximenez äußerst intensive Rosinen- und Dattelnoten in den Ring und gehört mit gut und gern mal über 200 Gramm Restzucker pro Liter, die zumal den älteren, schwarzbraunen Versionen eine geradezu zähflüssige Konsistenz verleihen, zu den süßesten Weinen überhaupt.
Gerade im Bereich der Dulce-Vertreter ihres Fachs wurde und wird leider viel schlechte Qualität auf den Markt geworfen, was den Ruf des Sherrys ordentlich in Mitleidenschaft gezogen hat, Stichwort Kochwein. Überhaupt ist es so eine Sache mit der Reputation: entweder sie ist überragend oder völlig im Keller, dazwischen scheint es nichts zu geben. Im spätviktorianischen England, als vier von zehn importierten Weinen Sherrys waren, erreichte er den Zenit seiner Popularität, kam dann jedoch aus der Mode. Erst als man 1933 eine geschützte Ursprungsbezeichnung einführte, womit verbindliche Richtlinien hinsichtlich zugelassener Rebsorten, Ertragsgrenzen und Kellertechnik einhergingen, konsolidierte sich der Markt und die 30er und 40er Jahre wurden zu einer weiteren kurzen Blütezeit. Bis in die späten 70er wuchsen die Produktionsmengen noch an, dann ging es wieder abwärts, bis sich der Absatz auf dem im historischen Vergleich sehr niedrigen Niveau stabilisierte, auf dem er heute ist. Dieser Umstand bietet für den Konsumenten jedoch gewisse Vorteile: während bei Champagner, Bordeaux und Co. ständig an der Preisschraube gedreht wird, erhält man hier einen nicht minder aufwändig herzustellenden Wein von häufig überragender Qualität für recht kleines Geld - Sherry ist ein echter Preis-Leistungs-Hammer.
Aber egal ob man nun Oloroso, Manzanilla oder eine andere Sherry-Art trinkt, ihnen ist eines gemein: auf der Flasche findet sich kein Jahrgang. Das ist keine Verbrauchertäuschung, sondern der speziellen Art der Reifung geschuldet. Diese vollzieht sich nämlich nicht wie sonst üblich in einem einzigen Fass. Stattdessen findet man in den Kellern der Erzeuger mit ihren teils beeindruckenden Deckenhöhen mehrere Reihen von übereinander gestapelten Fässern - in ihnen reift der Wein im sogenannten Solera-Verfahren. In der untersten Reihe findet sich der älteste Sherry - entnimmt man einem solchen Fass, der eigentlichen Solera, etwas, füllt man den entstehenden Leerstand aus dem Inhalt des darüberliegenden, der ersten Criadera, wieder auf. Da in diesem nun wiederum eine Differenz entstanden ist, gleich man aus der dritten Reihe von unten aus und immer so fort, bis man an der obersten Criadera anlangt - hier gibt der extra für diesen Job ausgebildete Trasegador frischen Most neu zum System dazu. Jüngerer wird also fortwährend - meist alle drei bis vier Monate - mit älterem Sherry vermengt: Winzer sprechen hier poetisch von einer „Vermählung“, und die minimiert das Risiko schlechter Jahrgänge und sorgt für eine dauerhaft gleichbleibende Qualität. Zudem muss die wertvolle Florhefe ohnehin stetig mit neuem Wein genährt werden, um nicht abzusterben. Dass man nicht das gängige Barrique-Format für diesen Prozess nutzt, sondern Fässer mit 500 bis 600 Litern Fassungsvermögen, ist dabei keine Willkür: durch das besondere Verhältnis von Volumen zu Oberfläche bleibt der Alkoholgehalt im Wein stets gleich - in größeren oder kleineren Fässern würde er schwanken und die Florhefe infolgedessen absterben. Anders als viele andere ausgemusterte Fässer sind jene, in denen zuvor Sherry reifte, übrigens äußerst beliebt und führen oft ein zweites Leben in Schottland: die dortigen Destillerien reißen sich um die Gebinde, um in ihnen ihren Whiskys eine ganz besondere Note zu verleihen.
Das uns noch vom Anfang bekannte, aus dem Griechischen stammende Wort Xérès bedeutet übersetzt so viel wie trocken - und genau das ist es hier im berühmten „Sherry-Dreieck“ zwischen den Städten Jerez de la Frontera, Puerto de Santa Maria und Sanlúcar de Barrameda auch. Die dem Süden Spaniens ohnehin schon eigene Hitze wird noch einmal durch die Nähe zum afrikanischen Kontinent verstärkt, der direkt auf der anderen Seite der Straße von Gibraltar beginnt - gerade einmal 100 Kilometer trennen Jerez vom marokkanischen Tanger. Im Sommer kratzt das Thermometer gern mal an den 40 Grad, Regen fällt im Schnitt nur jeden fünften Tag im Jahr. Wie können sich die Rebstöcke in diesem Backofen aufrecht halten? Das Geheimnis liegt im Untergrund verborgen und hört auf den poetischen Namen Albariza. Dahinter verbergen sich strahlend weiße Kreideböden, die Wein-Enthusiasten nicht umsonst direkt an die Côte des Blancs in der Champagne denken lässt. Durch ihre extreme Feinkörnigkeit besitzen sie eine sehr große Oberfläche, was wiederum die langfristige Speicherung großer Mengen des hauptsächlich im Winter fallenden Regens ermöglicht. Die wie Puderzucker erscheinende oberste Schicht mindert Verdunstung, zudem wirkt die helle Albariza wie ein riesiger Spiegel: sie erhitzt sich deutlich weniger als dunklere Böden, sondern wirft die Sonnenstrahlen zurück. Auf ihr gedeihen die mit Abstand besten Trauben, während auf den Arenas genannten Sandböden in Küstennähe und den als Barroso bezeichneten lehmigen Untergründen in den Talsohlen eher einfachere Qualitäten entstehen. Was der Boden den Rebstöcken an Abkühlung nicht zuliefern imstande ist, das leistet schließlich der nahegelegene Atlantik: er erhöht die Luftfeuchtigkeit und wirkt mit seinen stetig ins Landesinnere ziehenden Brisen wie ein großer Ventilator. Viele Kellereien machen sich das in besonderer Weise zunutze, indem ihre Gebäude so ausgerichtet sind, dass die vom Meer kommenden Winde durch große Tore direkt hineinwehen können.
Weit mehr als um viele andere Weine hat sich um den Sherry herum eine ganze Kultur gebildet, die dessen Einzigartigkeit unterstreicht und vom Verlangen zeugt, seinen Genuss regelrecht zu zelebrieren. Zunächst einmal wird Sherry nicht in normalen Weingläsern serviert, sondern in sogenannten Catavinos oder auch Copitas: die sind deutlich kleiner und enger, tulpenförmig und mit einem mittellangen Stiel versehen. Auf diese Weise werden die Aromen konzentriert und der Alkohol tritt nicht spritig in den Vordergrund. Warum der ohnehin schon aus der Reihe tanzende Manzanilla nochmal ein eigenes Glas, die Caña, für sich verbucht, weiß allerdings niemand. Wer Glück hat und in eine sehr traditionalistische Bar gerät oder eine Kellerführung mitmachen darf, wird vielleicht erleben, dass man sein Catavino mithilfe einer Venencia füllt. Diese lange metallene Kelle wird durch das Spundloch ins Innere des Fasses eingeführt, durchsticht die Florhefe und schöpft den edlen Tropfen quasi direkt von der Quelle. Ein geübter Kellner oder Kellermeister wird das Gerät dann über seine Kopfhöhe hinaus heben und von dort oben in weitem Bogen ins Glas strömen lassen. Der Show-Effekt, den man auch aus dem Baskenland kennt, hat einen durchaus sinnhaften Hintergrund: auf seinem langen Weg zwischen Venencia und Catavino hat der Sherry höchstmöglichen Sauerstoffkontakt und setzt infolgedessen maximale Aromenvielfalt frei. Zu dieser trägt auch die passende Trinktemperatur bei: während Finos und Manzanillas bei fünf bis sieben Grad genossen werden sollten, kommen gehaltvollere Amontillados und Olorosos bei zwölf bis 16 Grad besser zur Geltung.
Normale Stillweine, unaufgespritet und nur dem Ausbau her nach Sherry-Art, wie man sie etwa aus Montilla-Moriles kennt, werden in Jerez bisher nur in geringen Mengen erzeugt - unter 15 Prozent steigt man in anderen Worten nicht ein. Nach oben hin ist allerdings ordentlich Luft, denn neben Sherry wird auch im großen Stil Hochprozentiges auf Flasche gezogen - der Brandy de Jerez. Zwar sind die Dimensionen heute ganz andere als vor tausend Jahren, die kupfernen Brennblasen funktionieren aber im Grunde genauso wie die der Mauren, welche die Technik der Destillation ursprünglich zur Herstellung von Duftessenzen ins Land brachten. Ihr Brandy ist den heimischen Erzeugern so lieb, dass sie nicht auf die Idee kommen würden, ihn zur Aufspritung des Sherrys zu benutzen - dafür nimmt man einfachen Branntwein aus der Mancha. Man unterscheidet zwischen Solera, Reserva und Gran Reserva, wobei ersterer mindestens sechs, zweiterer mindestens zwölf und letzterer mindestens 36 Monate Fasslagerung hinter sich haben müssen. Diese Werte gelten allerdings nur auf dem Papier und werden in allen Klassen in der Regel weit überschritten: manche Gran Reservas haben mehrere Jahrzehnte auf dem Buckel und offenbaren einen wahre Aromensinfonie aus Noten wie Karamell, Vanille, Kakao, Zedernholz und getrockneten Früchten.
Ja, die Region hat viele Trümpfe in der Hand: neben dem einzigartigen Terroir vor allem eine Historie, die ihresgleichen sucht. Lange bevor Rioja, Toro oder das Priorat irgendeine Rolle spielten, verankerte der Sherry sein spanisches Mutterland im kollektiven Weingedächtnis. Von dieser Zeit zehrt man - und ohne sie wäre es wohl auch kaum denkbar, dass ein mit 7000 Hektar weniger als ein Prozent der spanischen Rebfläche einnehmendes Weinbaugebiet sich international derart behaupten könnte. Ob sich der aktuelle Trend hin zu leichten, frischen Weinen mit wenig Umdrehungen negativ auf das Geschäft mit den Likör- und Branntweinen auswirken wird, muss sich erst noch zeigen. Immer mehr Winzer haben immerhin verstanden, dass statt des als Aperitif oder Digestif glänzenden Solisten Weine gefragt sind, die das Zeug zum flexiblen Speisebegleiter haben. Und da muss sich der Sherry mit seiner beeindruckenden Bandbreite von knochentrocken bis zuckersüß, von gertenschlank bis richtig füllig, definitiv nicht verstecken: Finos sind die perfekte Wahl zu kleinen Tapas wie Oliven, Muscheln und Schinken, während ein Amontillado optimal mit Geflügel oder Kalb harmoniert. Amontillado verträgt sich gut mit scharfer Asia-Küche, Oloroso schmeichelt herzhaften Gerichten wie Wild und Lamm, und ein Pedro Ximenez steht einer Vielzahl von Desserts ebenso gut zu Gesicht wie kräftigem Käse. Es ist also ohne weiteres möglich, einem Sechs- oder Sieben-Gänge-Menü ausschließlich Sherry als Begleitung zur Seite zu stellen. Selbst als Bestandteil kreativer Cocktails macht er eine gute Figur und beweist, dass er alles andere als angestaubt, sondern im Gegenteil ein wahres Multitalent ist. Manche seiner Eigenschaften erweisen sich in unserer schnelllebigen, auf unmittelbaren Genuss getrimmten Zeit sogar als unerwarteter Pluspunkt, denn jahrelang warten muss man nicht, wenn man eine Flasche Sherry kauft: die Reife ist abgeschlossen, der Wein direkt auf seinem Höhepunkt. Viva Solera!
Fino und Manzanilla: Trockener Sherry von strohgelber Farbe mit einem Alkoholgehalt zwischen 15 und 18 Volumenprozent (durch Aufspritung nach der Gärung). Die Farbe erhält er durch die mindestens dreijährige Fassreifung, wo der Sherry unter einer Hefeflor reift , die die Oxidation des Weins verhindert und welche ihm dann die typische Salz- und Mandelnote verleiht. Kühl geniessen.
Der Manzanilla reift ausschließlich in dem Städtchen Sanlúcar de Barrameda. Da in dem Hafenort eine feuchte Brise vom Atlantik weht, entwickelt der Hefeflor, welcher sich von Zucker und Alkohol ernährt, eine noch dickere Schicht, was die Manzanillas noch schlanker und trockener schmecken lässt. Oft ist die salzige Note auch ausgeprägter. Kühl geniessen!
Amontillado: Mit seinem Bernsteinton zeigt der Amontillado schon farblich, dass er ein körperreicher und geschmacksintensiver Sherry ist. Zuerst reift er wie ein Fino unter der Florschicht, dann wird der Flor zerstört indem Weinbrand zugegeben wird oder die Hefeschicht stirbt ganz natürlich nach 10- 15 Jahren ab (durch den natürlichen hohen Alkoholgehalt). Danach durchläuft der Wein eine zweite, oxidative Reifung, was seine Aromen verstärkt. Geschmack nach Haselnüssen. Der Alkoholgehalt liegt zwischen 16 und 22 Volumenprozent. Ideale Serviertemperatur liegt bei 12 °C.
Oloroso: Der Duftende kommt nie mit dem Hefeflor in Kontakt, reift also unter Lufteinfluss. Man wählt eher einen voluminöseren Grundwein für den Olororso aus, der dann nach der Gärung ebenfalls bis zu 22 Volumenprozent aufgespritet wird. Schmeckt schon leicht süßlich nach geröstetem Holz, Tabak und Nüssen. Ideale Serviertemperatur 15 ° Grad.
Medium oder Cream: Der fertige Oloroso wird mit dem Süßwein Moscatel oder Pedro Ximénez verschnitten. Alkoholgehalt 16- 18 % vol.
Pedro Ximénez ( P. X.): Sehr konzentrierter, mahagonibrauner Süsswein mit 18- 20 Volumenprozent Alkohol. Die Trauben werden nach der Ernte erst auf Bastmatten zwecks Zuckeranreicherung in der Sonne getrocknet und dann erst vergoren. Da die Hefen den Zucker nicht komplett in Alkohol umwandeln können wird der Rosinensaft mit Weinbrand gespritet. Anschließend reift der Wein viele Jahre oxidativ in Fässern.