Piemont

Piemont

Piemont, das ist doch bekannt für… Kirschen? Da haben ein großer italienischer Süßwarenkonzern, seine rosaroten Pralinen und der sinnliche Blick Claudia Bertanis ganze Arbeit geleistet, bei der deutschen Kundschaft diese Verknüpfung herzustellen. Zeit, auch die Piemonteser Trauben etwas im Gedächtnis zu verankern! Ja die Region überhaupt - denn während etwa die angrenzende Toskana seit Jahrzehnten das mondäne Reiseziel längst nicht nur älterer Studienräte ist und mit Florenz eine wahre Schatzkammer zu bieten hat, kann im Piemont die für ihre Automobilbranche bekannte Industriestadt Turin vergleichsweise wenig Anziehungskraft entfalten. Auch das Umland gilt immer noch als ein wenig rustikal und keineswegs so gut touristisch erschlossen wie andere italienische Landstriche. Doch ein zweiter Blick lohnt. Denn das Piemont bietet vieles, was andere nicht haben: unter den sage und schreibe 100 hier kultivierten Rebsorten sehr viele, die außerhalb dieser Region eigentlich nirgendwo sonst in Italien angebaut werden.

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Im Detail

Piemont

Die wichtigste ist zweifellos der Nebbiolo, hier oft Spanna genannt. Nicht, dass man es nicht versucht hätte, ihm auch anderswo, sogar außerhalb Europas, die Qualität zu entlocken, die er im Piemont erreicht - jedoch vergeblich. Die autochthone Rebe ist halt eine Diva, was ihr Terroir angeht. Aber auch nur in dieser Hinsicht. Denn geschmacklich erweist sie sich keineswegs als damenhaft: sie strotzt nur so vor Gerbstoffen und ist eine der am langsamsten reifenden Rebsorten der Welt. Es sei also davon abgeraten, sich einen aktuellen Jahrgang für den baldigen Konsum zuzulegen. Auf der anderen Seite verleihen die Tannine dem Nebbiolo eine unglaubliche Haltbarkeit - auch wenn keine Exemplare aus der Antike mehr erhalten sind, in welcher er wohl schon angebaut wurde: möglicherweise von den Griechen, wahrscheinlich von den Etruskern, ziemlich sicher aber von den Römern. Der Name taucht dann im späten Mittelalter zum ersten Mal auf - er geht auf das italienische „nebbia“ zurück, das den Nebel bezeichnet, der zur Zeit der Lese im Oktober oft von den Berghängen herabwallt.
Der bekannteste aus Nebbiolo gekelterte Wein ist zweifellos der Barolo - in Deutschland spätestens seit den frühen 2000ern ein Begriff, als der damalige Bundeskanzler Gerhard Schröder verlautbaren ließ, dass es sich dabei um seinen Lieblingswein handele. Keine schlechte Wahl, denn zu den vom Brioni-Kanzler ebenfalls geschätzten kubanischen Cohiba-Zigarren macht ein Barolo sicherlich keine schlechte Figur. Auf lediglich 1800 Hektar gedeiht der „Wein der Könige“, so genannt, weil er als Favorit des Hauses Savoyen galt, das im Mittelalter als einfaches Grafengeschlecht startete, sich in Oberitalien - weit über das heutige Piemont hinaus - nach und nach große Gebiete untertan machte und infolge der italienischen Einigung Mitte des 19. Jahrhunderts dann zum Königshaus des gesamten Landes aufstieg. Zu verdanken ist das vor allem dem Ehrgeiz des aus Turin stammenden Staatsmannes und späteren ersten Ministerpräsidenten des neuen italienischen Staates, Graf Cavour. Er wollte in Rom die Ehre seiner Heimat hochhalten und griff dafür auf den bereits bekannten Barolo zurück, der allerdings bisher immer eine Restsüße aufgewiesen hatte. Man ließ ihn nämlich auf Dachböden gären, die zur Winterzeit früher oder später auf Minusgrade auskühlten, wodurch die Gärung gestoppt wurde und ein Rest Zucker im Wein verblieb. Cavour ordnete an, die Gärung in den Keller verlagern, wo es konstante und vor allem nicht zu kalte Temperaturen hatte - und schuf einen durchgegorenen, damit trockenen und geschmacklich völlig neuen Barolo. Viktor Emanuel II. war davon derart begeistert, dass er ihn zu seiner Krönung als König von Italien ausschenken ließ und ihm damit den Nimbus eines edlen National-Rebensaftes verlieh.
Heimat des Barolo ist die Bassa Langa, der untere Teil der Langhe - eine sanft gewellte, von Hügelketten zungenförmig eingehegte Landschaft - daher der Name. Schaut man aus einem der auf den Anhöhen gelegenen romantischen Dörfer in die Ferne, erklärt sich auch der Name der gesamten Region: Piemont stammt vom lateinischen „ad pedem montium“, was soviel wie „am Fuß der Berge“ heißt. Damit sind die Alpen gemeint, die den Landstrich von Norden, Süden und Westen her abschirmen. Dieses himmlische Fleckchen Erde hat der Barolo allerdings nicht für sich allein, sondern teilt es mit dem Barbaresco. Auch der liebt die Böden aus Lehm, Ton und vor allem Kalkmergel mit hohem Sandsteinanteil, Hinterlassenschaften des Binnenmeers, der vor Urzeiten die Gegend überspülte und dessen Rückzug allerhand organisches Material freilegte, das sich im Untergrund ablagerte. Und auch er macht als reiner Nebbiolo-Wein winzige Feinheiten in der Mineralstruktur des Bodens, unsichtbare Einlagerungen wie das häufig vorkommende Eisen auf faszinierende Weise schmeckbar.

 


Was aber unterscheidet Barolo von Barbaresco? Gar nicht so einfach zu beantworten, denn sie wachsen gerade mal 20 Kilometer voneinander entfernt und nicht selten ist einer dem anderen ähnlicher, als es sich manche Exemplare derselben DOCG sind. Ganz normativ lässt sich die Zeit der Reife nennen: während Barbaresco 26 Monate, davon neun im Fass lagert, sind es beim Barolo 38, bei der Riserva-Variante sogar 62 Monate, davon jeweils 18 im Fass. Aber geschmacklich? Oft bemüht wird das Bild vom „maskulinen“ Barolo: er ist der Körperreiche mit viel Dichte, wuchtig in Frucht und Tannin. Der „feminine“ Barbaresco hingegen besticht mit mehr Eleganz und Finesse sowie einem weicheren, seidigeren Mundgefühl. Dennoch sollte betont werden, dass es „den“ Barolo oder Barbaresco nicht gibt - die Varianz des Ersteren reicht, um es ein wenig anschaulich zu machen, vom massigen Ringer bis zum beweglichen Mittelgewichtsboxer, die des Letzteren vom durchtrainierten Kunstturner bis zum fintenreichen Florettfechter. Gemeinsam ist ihnen aber die Benennung nach ihrer jeweiligen Herkunft, kleinen, gerade einmal etwas mehr als 600 Einwohner zählenden Dörfern.
Kein solches Dorf, sondern eine Rebsorte bezeichnet unsere Nummer drei, die - Sie werden es vielleicht schon ahnen - auch wieder mit „Bar-“ beginnt. Die Piemonteser scheinen eine Affinität für diesen Anlaut zu haben, oder es macht ihnen einfach Spaß, Unkundige ein wenig aufs Glatteis zu führen. Sprachliche Verwechslungen mit den Nebbiolo-Abkömmlingen sind somit durchaus möglich, geschmackliche aber nahezu ausgeschlossen: die Barbera ist nicht ansatzweise so herb wie Barolo und Barbaresco, weshalb sie schon in den ersten Jahren nach Abfüllung genossen werden kann. Was sie an Gerbstoffen entbehrt, wird jedoch von ihrer hohen Säure wieder wettgemacht. Auch der Alkoholgehalt ist nicht zu unterschätzen, bringt aber die typische Pflaumenfrucht perfekt zur Geltung. Man unterscheidet den ebenfalls in der Umgebung der beiden uns schon bekannten Dörfer wachsenden, schlanken Barbera d’Alba vom nordöstlich davon angebauten Barbera d’Asti, der etwas voluminöser und dunkler in der Farbe ausfällt. Die Toleranz gegenüber vielen verschiedenen Bodenprofilen, der ausgesprochen starke Wuchs sowie ihre relative Unanfälligkeit gegen die meisten Krankheiten haben dafür gesorgt, dass die Barbera Nera als eine der ganz wenigen Piemonteser Reben eine italienweite Karriere einschlagen durfte.
Wer denkt, mit den drei Bs sei die Palette der Roten erschöpft und wir kämen jetzt schon zum Süßwein, der irrt. Obwohl der Name des Dolcetto eigentlich genau das vermuten lässt, bedeutet „dolce“ im Italienischen doch schlicht „süß“. Das trifft keineswegs zu, gerade im Gegenteil wird er stets knochentrocken ausgebaut - allerdings verfügt er weder über die brachialen Tannine des Nebbiolo noch über die prägnante Säure der Barbera und wirkt dadurch für viele Piemonteser fast schon unerhört mild. Anders als der Sonnenanbeter Nebbiolo bevorzugt er aufgrund seiner viel schnelleren Reife eher ein kühles Plätzchen und dankt es mit schwarzbeeriger Aromatik, schmelzig-weicher Textur und leichter Bittermandel- und Süßholznote. Kenner behaupten, der Titel des optimalen Weines zur Pizza gebühre eigentlich viel eher ihm als dem Chianti. Obwohl man Pizza im Piemont eher selten finden dürfte: wenn man der heimischen Gastronomie einen Besuch abstattet, lernt man das weitgehende Fehlen von Touristen schnell richtig zu schätzen. Studiert man dort ein wenig eingehender die Weinkarte, wird einem möglicherweise auffallen, dass es zwar Tisch- und Qualitätsweine, jedoch keine Landweine gibt - Winzer müssen sich also entscheiden, ob sie sehr einfache oder sehr hochwertige Weine produzieren wollen, ein Mittelding gibt es nicht. Diese Ganz-oder-Garnicht-Mentalität polarisiert, ist aber verständlicher Ausdruck des selbstbewussten Piemonteser Charakters, der durch die als schickimickihaft empfundene toskanische Konkurrenz auf dem Rotweinmarkt seit jeher kompetitiv geprägt ist und mit dem IGT gerade jene Kategorie verbannt, in der die bekannten Supertoskaner zuhause sind. Merlot und Cabernet mit heimischen Reben verschneiden? Für die Winzer des Piemont undenkbar.


Wo viele halbwegs geografisch Bewanderte noch ohne größere Probleme die Lage Südtirols, Kalabriens oder Latiums innerhalb Italiens angeben können, wird es beim Piemont schon schwieriger - und das, obwohl es die flächenmäßig größte Region des Festlandes ist, übertroffen nur von der Insel Sizilien. Irgendwo im Norden, oder? Richtig, im äußersten Nordwesten, um genau zu sein. Das Piemont gehört zu den wenigen Regionen, die nicht über eine Mittelmeerküste verfügen - die beansprucht das südlich gelegene Ligurien für sich. Für diesen Verzicht wird es aber, ebenfalls eine Seltenheit in Italien, mit zwei direkten Nachbarstaaten entschädigt: der Schweiz und Frankreich. Insbesondere zu letzterem bestand früher ein gespaltenes Verhältnis. Immer wieder wurden Teile Piemonte von Frankreich besetzt. Zwar kamen sie nach den Friedensschlüssen stets zurück, dennoch verleibte sich der große Nachbar letztlich gewaltige Gebiete ein: als Gegenleistung dafür, dass Frankreich den Fürstentümern auf der Apenninhalbinsel half, gegen den Widerstand Österreichs 1860 einen einheitlichen Nationalstaat zu bilden, musste Piemont das Herzogtum Savoyen und die Grafschaft Nizza abtreten. Hundert Jahre später knüpfte man schließlich im Weinbau Bande über die Staatsgrenzen hinweg, vor allem nach Burgund. Das war kein Zufall, sondern lag darin begründet, dass die Regionen über nicht wenige Gemeinsamkeiten verfügen: in beiden ist das Terroir ausgesprochen wichtig für die Qualität des Weines und minimale Veränderungen in der Bodenstruktur entscheiden - Spitze oder Mittelmaß? Darüber hinaus ähneln sich die ökonomischen Strukturen: die Betriebe sind in aller Regel klein und bäuerlich geprägt. Riesenwinzer mit mehreren hundert oder gar tausend Hektar, wie man sie in vielen anderen Teilen Italiens antrifft, sucht man hier vergebens. Viele junge Weinbauern pilgerten also ins ihnen vertraut erscheinende Burgund, um ihre Fertigkeiten zu verfeinern. Denn in den 70ern, als es in anderen Regionen Italiens weintechnisch allmählich aufwärts ging, steckte der Piemonteser Weinbau in einer Krise: die sehr schweren, extrem tanninreichen Nebbiolo-Weine, geprägt durch lange Maischestandzeit und Mitvergärung der Stiele, passten nicht mehr in die Zeit, es drohte massive Überproduktion, zudem wurde oft unsauber gearbeitet. In der Folge wanderten viele junge Menschen aus der Branche in größere Städte ab, der Lange drohte ein wahrer Aderlass. Die Rettung brachten Anregungen aus dem Burgund: radikale Ertragsreduktion, bessere Kellerhygiene, der Ausbau in kleinen Barriques anstatt in Großfässern. Damit brach ein Streit zwischen Traditionalisten der älteren Generation und Modernisten, den „Barolo Boys“ um Angelo Gaja und Elio Altare aus, dessen Nachwirkungen noch bis heute zu spüren sind.


2014 würdigte die UNESCO die seit der Antike betriebene und ab dem Hochmittelalter immer weiter verfeinerte Weinbaukunst in den Landschaften Langhe, Roero und Monferrat mit dem Welterbetitel - ein Grund mehr für eine kulinarisch-kulturelle Erkundungstour. Das kontinental-gemäßigte Klima könnte optimaler kaum sein: die Sommer sind zwar heiß, werden aber durch Gewässer wie den Lago Maggiore oder den Po angenehm reguliert - fast meint man einen Hauch der nahegelegenen französischen Riviera zu spüren. Die Winter hingegen sind oft schneereich, was für die Rebstöcke von großem Vorteil ist: das langsam schmelzende Weiß können ihre Wurzeln nach und nach aufnehmen und während des Sommers davon zehren - was sie auch müssen, denn eine künstliche Bewässerung ist den Winzern per Weingesetz untersagt. Während die Pflanze Reserven anlegt, kann der Mensch sich auf der Piste austoben: in Sestriere etwa, wo neben regelmäßigen Skiweltcups auch die Olympischen Winterspiele von 2006 stattfanden. Unwetter müssen dabei beide kaum fürchten: sie werden durch die den gigantischen Talkessel umgebenden Alpen zuverlässig ferngehalten, sodass die Trauben kaum Gefahr laufen, durch Starkregen oder Hagel beschädigt zu werden.
Das wissen nicht nur die roten Reben zu würdigen, sondern auch die weißen. Zwar spielen diese auf den insgesamt knapp 50 000 Hektar nur eine untergeordnete Rolle, bilden aber dennoch einen ganz eigenen Kosmos. Da sind zum einen die internationalen Sorten, etwa der Chardonnay, der hier im Piemont so grandios gerät wie kaum sonst irgendwo in Italien. Da sind aber vor allem die autochthonen Klassiker, deren Aroma absolut unvergleichlich ist, weil sie außer ein paar wenigen Freaks in Übersee niemand sonst anbaut. Parallelen zum Nebbiolo? Absolut, deswegen wird die Arneis auch gern mal „Barolo bianco“ genannt. Das ist deutlich schmeichelhafter als die Übersetzung ihres eigenen Namens, der so viel bedeutet wie „kleine Schwierige“, wahrscheinlich zurückzuführen auf ihre Anfälligkeit gegenüber dem Echten Mehltau. Wohl auch aus diesem Grund nahm ihr Bestand immer weiter ab, bis sie in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts fast vollständig in Vergessenheit geraten war. Erst in den 90ern entdeckte man sie wieder, ihr verführerisch fruchtiges Bukett nach Honigmelone, Birne und Aprikose, ihr Abgang nach feinem Mandelpudding passten perfekt in die nach Exotik lechzende Zeit und sind auch heute noch einen Versuch wert. Dank ihrer sehr zurückhaltenden Säure ist sie genau das Richtige für alle mit einem empfindlichen Magen.


Ganz und gar nicht hinter dem Berg mit seiner Säure hält hingegen der Timorasso, welcher wie der Arneis seit einiger Zeit eine Renaissance feiert. Noch gilt er als kleiner Geheimtipp, aber seine steinige Mineralität und markante Säure - die durchaus Assoziationen mit Riesling hervorrufen -, gepaart mit Noten von weißen Blüten und dezenter Kräuterwürze machen ihn zu einer spannenden, ganz und gar nicht „italienisch“ schmeckenden Angelegenheit. Während Arneis und Timorasso in Deutschland nahezu unbekannt sind, gibt es kaum einen guten Italiener, der keinen Gavi im Angebot hat. Benannt ist er vertrackterweise wieder einmal nach dem Örtchen, in dessen Umfeld er auf kalkreichen Böden wächst, die zugrunde liegende Rebsorte hingegen ist der Cortese. Gerade zu Fischgerichten macht er dank seiner säurebetonten Anklänge von Zitrusfrüchten und grünen Äpfeln eine gute Figur. Weißer Rebensaft schmeckt aber natürlich nicht nur als Stillwein, sondern mindestens ebenso als Schäumer. Auf diesem Gebiet hat sich der preisgünstige, süße Asti Spumante aus Moscato Bianco, also Gelbem Muskateller, zu einem internationalen Verkaufsschlager gemausert und dürfte schon unzählige Mädelsabende und Junggesellinnenabschiede begleitet haben. Gemeinsam ist allen Weißen, dass sie keiner ewigen Kellerreife bedürfen, sondern schon in früher Jugend zugänglich sind und deutlich unkompliziert-trinkiger daherkommen als ihre roten Kollegen.


Mit diesen teilen sie aber wiederum die Eigenschaft, wie so ziemlich alle italienischen Weine optimale Speisebegleiter zu sein. Zeit also, sich diese ein wenig genauer anzusehen. Die regionale Küche ist zwar meist einfach, aber äußerst vielfältig und kann auf allerbeste Zutaten zurückgreifen. Außer dem mittlerweile weltbekannten Vitello tonnato, dünn aufgeschnittenem, gekochtem Kalbfleisch mit Thunfischsoße und Kapern, haben jedoch kaum Gerichte eine ausländische Anhängerschaft. Schade eigentlich, denn die meisten sind einfach zuzubereiten und leicht variierbar, sodass man immer wieder auf sie zurückgreifen kann. Zu den absoluten Grundzutaten im Piemont gehört Reis, der seit der Zeit der Renaissance in der Poebene angebaut wird und die Region zum größten Anbaugebiet des Süßgrases in ganz Europas macht. Zusammen mit Zwiebeln in Öl angeröstet und dann in Brühe und Weißwein gegart, zum Schluss mit Parmesan abgebunden, entsteht in weniger als einer Dreiviertelstunde ein herrliches Risotto. Eine besonders feine Version erschafft man unter Einbeziehung von Trüffeln, die man hier über die Gerichte hobelt statt sie mitzugaren, da der Weiße Trüffel von Alba im Gegensatz zu seinem Verwandten aus dem Perigord beim Erhitzen an Geschmack verliert. Der Pilz erreicht in der Regel etwa die Größe einer Apfelsine und kommt äußerlich mit seinem knubbeligen, schmutzigbraunen Aussehen zunächst nicht so sympathisch daher. Schneidet man ihn aber an… was für eine Aromenvielfalt! Ein erdig-nussiger Grundton, aus dem sich schnell Anklänge an milden Knoblauch und Weichkäse herausschälen, flankiert von zarten Zwischentönen nach Moschus, Honig und Heu. Da er nicht gezüchtet werden kann, sondern aufwändig in der Natur gesucht werden muss, gehört er zu den teuersten Lebensmitteln der Welt. Trüffelbegeisterte sollten während der letzten drei Monate des Jahres nach Alba reisen, wenn mit der Internationalen Messe des Weißen Albatrüffels dort an jedem Wochenende ein wahres Hochamt für den „tartufo bianco“ gefeiert wird. Wer den einzigartigen Geschmack nicht schätzt oder aber eher auf der Suche nach einem preisgünstigeren Mahl ist, dürfte mit einer Portion Agnolotti bestens bedient sein. Die gefüllten Teigtaschen erinnern optisch an die wesentlich bekannteren Ravioli, unterscheiden sich von diesen aber dadurch, dass sie aus einem einzigen Teiglappen gefertigt sind, der umgeschlagen wird, während man für einen Raviolo zwei einzelne Schichten aufeinander legt. Sehr beliebt in größeren Runden ist auch das dem schweizerischen Fondue nicht unähnliche Bagna cauda, bei dem man Gemüsestücke in einen heißen Sud aus mit Knoblauch und Sardellen gewürztem Olivenöl stippt. Zum Abschluss ein Dessert gefällig? Das entsteht häufig unter Einbeziehung der Haselnüsse, die man im oberen Teil der Langhe anbaut, der zu hochgelegen und rau für Wein ist. Es muss ja nicht gerade die weltbekannte Nuss-Nougat-Creme sein, die aus demselben, in Alba beheimateten Stall stammt wie unsere Kirschpraline vom Anfang…
Und Zeit für einen Absacker ist auch noch. Was wäre da besser geeignet als ein Grappa? Der Tresterschnaps ist zwar gesamtitalienisches Kulturgut, findet aber einige seiner feinsten und charakterstärksten Vertreter hier oben im Norden, wo man ihn „Branda“ nennt und oft noch in traditionellen, seit vielen Generationen überlieferten Verfahren destilliert. Zum Wohl! Also falls er noch hineinpasst nach zwei oder drei Baroli, wie die Mehrzahl des Weines analog zu Begriffen wie Espresso lautet. Oder einem anderen der unglaublichen 17 DOCG-Weine, womit im Piemont mehr dieser absoluten Spitzen der Qualitätspyramide gezählt werden als in irgendeiner anderen italienischen Region. Dürfte man für den Rest seines Lebens nur noch Wein aus einem einzigen Anbaugebiet trinken, das Piemont wäre dafür mit Sicherheit keine schlechte Wahl.

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