Abruzzen

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Die Abruzzen scheinen anfällig zu sein für Verwechslungen. Anders ist es kaum zu erklären, dass viele Weintrinker beim Montepulciano immer nur an die Toskana denken. Und Pecorio? Ist das nicht ein strenger Käse? Ja, auch. Aber nicht nur. Doch alles der Reihe nach. Und vor allem schön gemächlich. Denn hier gehen die Uhren etwas langsamer, die Menschen nehmen sich Zeit - für gute Gespräche, ein feines Essen und natürlich den hervorragenden Wein der Region. Dieser wird geprägt von „mare e monti", vom Gegensatz zwischen dem Adriatischen Meer und dem Höhenzug der Apenninen. Dieser, der sich durch ganz Italien zieht, erreicht hier mit dem fast 3000 Metern hohen Corno Grande seinen höchsten Gipfel. Solche Höhenluft werden die Reben allerdings niemals schnuppern, denn für sie ist bei höchstens 600 Metern Schluss - noch, muss man sagen, denn in Zeiten immer heißerer Sommer ist ein solches Höhenlagen-Backup immer eine gute Sache. In diesem Spannungsfeld zwischen Küste und Gebirge sind hohe Temperaturschwankungen zwischen Tag und Nacht die Regel. Das klingt zunächst anstrengend für die Rebstöcke, begünstigt aber die Reifung und eine optimale Balance zwischen Säure und Zucker. Ohnehin könnte das Klima kaum besser sein: die Apenninen halten schlechtes Wetter aus dem Westen fern, Niederschläge sind ohnehin eher gering und die maritime Luft, die von Osten hereinweht, wirkt wie eine natürliche Klimaanlage.

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Im Detail

Abruzzen

Zwar wird in jeder der vier Provinzen Wein erzeugt, der Löwenanteil von über 80 Prozent entfällt allerdings auf die Provinz Chieti direkt an der Adriaküste. Dort gedeihen die Rebstöcke auf Sand und Kies, weiter im Landesinneren dann auf Lehm, dessen Kalksteinanteil ansteigt, je weiter man sich Richtung Gebirge bewegt, und den Weinen nicht selten eine unerwartete Mineralik verleiht. Das nahe Beieinanderliegen von malerischen Sandstränden, sanften, grünen Hügeln, die hier liebevoll „colline dolce“ genannt werden, und kargem, oft schneebedecktem Hochland ist es, was die Abruzzen zu einer der landschaftlich vielfältigsten Regionen Italiens macht. Ein großer Teil, besonders im bergigen Hinterland, ist nach wie vor fast frei von menschlichen Eingriffen und präsentiert sich sehr ursprünglich. Damit dies auch so bleibt, stehen ein Drittel der Abruzzen unter Naturschutz und bieten wilden Tieren wie Wölfen, Luchsen und Braunbären eine Heimat - sicherlich auch ein Grund dafür, weshalb Weinbau hier auf „nur“ 30 000 Hektar betrieben wird, was sich gegen andere italienische Regionen wie Venetien oder Sizilien recht gering ausnimmt.

Man liegt sicher nicht falsch damit, wenn man feststellt, dass die Abruzzen eine der unbekanntesten der 20 italienischen Regionen ist. Das hat entsprechende Auswirkungen auch auf das Wein-Portfolio, dem besonders im Ausland häufig nicht die Aufmerksamkeit geschenkt wird, die ihm eigentlich gebühren würde. Es kann aber auch damit zusammenhängen, dass einiges an informativer Vorarbeit geleistet werden muss, will man die Genuss-Eigenheiten dieses Landstrichs genau erfassen. Blicken wir also zunächst einmal auf das Aushängeschild des hiesigen Weinbaus, den autochthonen Montepulciano d’Abruzzo, der mehr als die Hälfte der Rebfläche für sich beansprucht. Er ist häufiges Opfer einer Verwechslung mit dem ungleich bekannteren, toskanischen Vino Mobile de Montepulciano, der allerdings nach seinem Herkunftsort benannt ist und aus Sangiovese gekeltert wird. Anders als dieser bringt der Montepulciano d’Abruzzo keine Spitzengewächse hervor, sondern hauptsächlich unkomplizierte Tropfen für den Alltag - geeignet eher für den Abend, denn der Alkoholgehalt liegt mit durchschnittlich 14 Prozent doch im höheren Bereich. Seine eher zurückhaltende Säure und der Geschmack nach Kirschen, roten Beeren und Pflaumen harmonieren perfekt mit fast allen Klassikern der mediterranen Küche. Erblickt man einen Hang mit südlicher Ausrichtung, kann man sich fast sicher sein, dass dieser mit Montepulciano bepflanzt ist, denn die Rebe ist ausgesprochen sonnenliebend - so sehr, dass sie im kühleren Norden Italiens gar nicht angebaut wird. Obwohl er für den baldigen Konsum gedacht ist und in den ersten drei bis vier Jahren nach Abfüllung am besten schmeckt, können durch den verhältnismäßig hohen Tanningehalt manche Vertreter auch bis zu zehn Jahre gelagert werden. Immer noch gilt er durch seine leichte Zugänglichkeit als idealer italienischer Restaurant-Wein, auch wenn ihm in Deutschland in den vergangenen Jahren der Primitivo etwas den Rang abgelaufen hat.

Sein kräftiges Rubinrot war wohl auch Anregung für den Rosé der Region, sich eine deutlich dunklere Farbe zuzulegen, als man von Vertretern dieses Weinstils allgemein erwarten würde. Cerasuolo ist sein Name, was vom Dialektwort „cerasa“ für Kirsche herrührt und so viel bedeutet wie kirschroter Wein - eine Tönung, die er einer 24stündigen Mazeration auf den extrem farbstoffreichen Schalen des Montepulciano verdankt. Dabei gilt der Cerasuolo, den man auch in anderen Regionen MIttel- und Süditaliens kennt, noch als die hellere Variante - die dunklere wird als Chiaretto bezeichnet. Vorgeschrieben sind mindestens 85 Prozent Montepulciano d’Abruzzo, was ihm dann neben einem intensiven Bukett nach Kirschen, Erdbeeren und Rhabarber auch einen würzig-rauchigen Beigeschmack und eine zarte Mandelnote im Abgang verleihen kann. Vom leichten deutschen Spätburgunder-Rosé oder den blassrosafarbenen Tropfen aus der Provence ist er ziemlich weit entfernt und durchaus in der Lage, nicht nur als sommerlicher Terrassenwein zu glänzen, sondern auch deftige Speisen zu begleiten, etwa einen Pecorino, den kräftigen Rohmilchkäse.

Womit wir bei der zweiten Verwechslung wären, die sich dieses Mal auf dem Gebiet der Weißweine zuträgt. Hier kennt man nämlich auch einen Pecorino, und die Namensherkunft beider geht tatsächlich auf denselben Ursprung zurück. Im Italienischen ist „pecora“ nämlich das Schaf, und während der Käse aus der Milch ebenjener Schafe hergestellt wird, galten die Trauben in alten Zeiten als Leckerbissen, der von den in den Weinbergen weidenden Tieren zur Zeit der Reife begierig gefressen wurde. Warum in alten Zeiten? Nun, der Pecorino war lange Jahre komplett von der Bildfläche verschwunden. Nur alte Schriftstücke zeugten noch von der Existenz der Traube, die einst von den Griechen ins Land gebracht worden war, bis ein Winzer sie Anfang der 80er zufällig in einem uralten Weinberg wiederentdeckte. Die hohen Ansprüche, die der Pecorino an die Lage stellt, seine Empfindlichkeit zu hoher Sonneneinstrahlung gegenüber und die eher geringen Erträge waren für seine Renaissance zunächst ein echtes Hindernis, aber der sehr charakteristische Wein fand schnell Liebhaber der Tatsache, dass sich bei ihm jede Erwartungshaltung in Luft auflöst. Er verblüfft mit leicht salzigen floralen Noten von Jasmin und Akazie, wobei das Aromenspektrum sich eher auf der würzig-kräuterigen als der fruchtigen Ebene bewegt. Das Säurelevel wie auch die Mineralität sind für einen italienischen Weißen erstaunlich hoch, und schon einige Male hat man ihn salbungsvoll als „Riesling der Adria“ bezeichnet. Ohne Zweifel gehört der Pecorino, der außer in den Abruzzen nur noch in den angrenzenden Marken in nennenswertem Umfang angebaut wird, zu den bemerkenswertesten Rebsorten des Landes. Und Profis schwören sogar, dass er blind verkostet häufig für einen Rotwein gehalten werden könnte.

Einen ähnlich kometenhaften Aufstieg hat die Cococciola hingelegt, auch wenn sie noch eher unter dem Label „Geheimtipp“ rangiert als der Pecorino. Die spät reifende Traube wurde lange Zeit - wie der Großteil der abbruzzesischen Weinproduktion - nur für den Verschnitt mit Weinen von außerhalb genutzt, mausert sich aber immer mehr zum interessanten Solisten, der mit Primärfrucht nach Pfirsich und Birne und betörender Kräuteraromatik, insbesondere einer feinen Salbeinote aufwartet. Auch die Cococciola bringt eine frische Säure mit und ist damit genau das Richtige für alle, die in italienischen Weißen sonst ein bisschen die Spannung vermissen.

Während die vorigen eher als Nischenprodukte für Weinfreaks auf der Suche nach dem Besonderen gelten können, ist der Trebbiano d’Abruzzo neben dem Montepulciano der zweite große Name in der Weinwelt Abruzzens - aber auch ganz Italiens, dessen meistangebauter Weißwein zu sein der Trebbiano für sich verbuchen darf. Bereits seit 500 Jahren ist er hier in der Mitte des Stiefels beheimatet, und man schätzt ihn vor allem für seine zuverlässig hohen Lesemengen. Dieser Umstand gereicht ihm leider nicht immer zur Ehre, denn der Großteil des Lesegutes wird zu leichten, wenig komplexen So-nebenbei-Weinen verarbeitet. Reduziert man allerdings die Erträge und baut den Wein im Fass aus, kann er eine erstaunliche Finesse erreichen und perfekt das Terroir widerspiegeln, dem er entstammt. Der sortentypisch eher neutrale Geschmack wird dann mit Aromen von weißem Pfirsich, Zitrus und grünem Apfel angereichert.

Apropos angereichert: profitiert hat man seit jeher von der Nähe zu Rom, das von der Grenze der Abruzzen gerade mal 100 Kilometer entfernt liegt. Mussten viele weiter entfernt liegende Weinbaugebiete, besonders jene in Oberitalien, erst anderen Volksstämmen entrissen werden, gehörten die Abruzzen praktisch zum Kernland des Römischen Reiches und wurden schon lange vor Christus von den Römern bewirtschaftet. Auch deshalb finden sich bemerkenswert viele literarische Zeugnisse über den dortigen Wein, dem sowohl das Potential zur Stärkung der vielen Soldaten als auch ein ausreichendes Niveau attestiert wurde, um an den reich gedeckten Tafeln der Patrizierfamilien ausgeschenkt zu werden. Diese Entwicklung fand ihr jähes Ende, als Kaiser Domitian sein fatales Edikt erließ: um den in allen Teilen des Reiches ausufernden Weinbau einzudämmen, der sich nachteilig auf die Qualität auswirkte und darüber hinaus die Versorgung mit anderen landwirtschaftlichen Gütern wie Getreide gefährdete, befahl er massive Rodungen. Versetzte dies den Abruzzen schon einen herben Schlag, kamen sie durch die bald darauf einsetzende Völkerwanderung vollends zu Fall: über Jahrhunderte versank er im Dunkel der Geschichte. Erst die ordnende Hand der Klöster ebnete den Abruzzen im Hochmittelalter den Weg zu einer zweiten weinbaulichen Blüte: neben dem Hauptexportgut Wolle fand auch der Rebensaft im Königreich Neapel, zu dem die Abruzzen viele Jahrhunderte lang als dessen nördlichste Provinz gehörten, guten Absatz.

 

 

Heutzutage liefert die Region ein eher uneinheitliches Bild: es dominieren riesige Genossenschaften, die zum großen Teil einfache, günstige Weine ohne besonderen Wiedererkennungswert produzieren. Sehr laxe behördliche Vorgaben begünstigen unerfreuliche Rekorde dabei zusätzlich, denn nur durch ein fehlendes übergeordnetes Qualitätsmanagement sind groteske Hektarerträge von bis zu 140 Hektolitern überhaupt möglich. Nicht wenige Winzer aber haben in den vergangenen Jahrzehnten diesem System den Rücken gekehrt und sind ihren eigenen Weg gegangen: für sie steckt in den Reben und den Böden zu viel Potential, als dass man sein Licht unter den Scheffel stellen müsste. Das Winzerhandwerk ist in der Tat eine der nicht allzu vielen Zukunftsperspektiven einer Region, die wie viele ländlich geprägte Teile Italiens unter einer Abwanderung junger Menschen leiden - was durch verheerende Naturkatastrophen wie das Erdbeben von 2009, das die Hauptstadt L’Aquila zum großen Teil zerstörte, noch befördert wird. Ein nicht geringer Teil des Geldes, der von der Regierung für den Wiederaufbau der mittelalterlichen Altstadt gedacht war, verschwand in den Taschen der Mafia. Wer konnte, suchte sein Glück woanders und überließ die ohnehin schon einsam-verschlafenen Abruzzen der Überalterung und dem langsamen Verfall. Doch muss es trotz allem einen Grund dafür geben, dass seit Jahrzehnten brachliegende, völlig verwilderte Weinberge das Interesse einer neuen Winzergeneration wecken, die sich vor allem aus Quereinsteigern speist. Ist es die geringe Konkurrenz, die ein Herumexperimentieren ohne enormen Preisdruck ermöglicht? Abenteuerlust und Pioniergeist, die sich in dieser wilden Gegend besser ausleben lassen als im verstädterten Rest Italiens? Oder sind es die liebenswerten Traditionen rund ums Thema Genuss, die nach wie vor höchste Wertschätzung ausdrücken für die Arbeit alljener, die Oliven, Getreide, Fleisch und eben Wein erzeugen?

 

Will man eine solche perfekte Symbiose von Wein und Kulinarik erleben, untermalt von liebenswertem Brauchtum und selbstloser Gastlichkeit, besucht man am besten eine der Sagras, die über das Jahr verteilt in fast jedem Örtchen stattfinden. Eine derartige Veranstaltung als Dorffest zu beschreiben, wird ihr jedoch kaum gerecht. Darauf weist schon der Name hin, der vom lateinischen „sacrum“ herrührt, was so viel wie „heilig“ bedeutet. Damit ist nicht nur gemeint, dass diese Festivität mit ihrem obligatorischen Feuerwerk als krönendem Abschluss für viele Einwohner den stolzen Höhepunkt des gesamten Jahres darstellt. Auch der Anlass ist weniger das profane Bedürfnis nach einem von Völlerei und Ausschweifung geprägten Wochenende: häufig begeht man den Namenstag des lokalen Schutzpatrons und zelebriert im Zuge dessen das Gemeinschaftsgefühl - vordergründig christliches Brauchtum vermengt sich dabei mit deutlich älteren, noch in heidnischer Zeit wurzelnden Riten. Früher war es für die im Umland lebenden Bauern die Gelegenheit, das harte Tagewerk einmal ruhen zu lassen und stattdessen selbst die Früchte ihrer Arbeit zu genießen. „Früchte“ kann hier durchaus im Wortsinn verstanden werden, denn bei einer Sagra steht meist ein bestimmtes Obst, Gemüse oder Fleisch im Mittelpunkt. Das können Bohnen sein, Esskastanien, Kirschen und Oliven oder auch Wildschwein und Hase. Und so ist die liebenswerte Mischung aus Erntedank, musikuntermalter Kostümparade, dörflicher Leistungsschau und Gourmetfestival eine Feier des Lebens, wie man sie in dieser herzlichen Ausgelassenheit nur selten findet.

 

 

Wo wir gerade beim Thema sind: was isst man klassischerweise zu den Tropfen der Abruzzen? Wie in anderen Weinbaugebieten auch gilt hier, dass sich Wein und Speisen über Jahrhunderte gemeinsam entwickelt haben und sich daher gegenseitig perfekt ergänzen. Typisch ist der Fokus auf wenige, dafür aber sehr frische Produkte. Allgemein lassen viele Rezepte noch ihre Entstehung in einer ländlich und bäuerlich geprägten Umgebung durchschimmern, etwa die deftigen Arrosticini. Hierfür schneidet man Schaffleisch in Stücke und mariniert es in mit rotem Sulmona-Knoblauch und Majoran versehenem Olivenöl. Auf einem speziellen Grill, breit und sehr schmal in der Form, wird es dann gebraten. Die Tradition stammt noch aus einer Epoche, als mit ihren Herden im Gebirge umherziehende Viehhirten im Freien lebten und auf kaum andere Nahrung zurückgreifen konnten als jene, die ihre Tiere ihnen boten - auch, weil Felderwirtschaft hier aufgrund der geografischen Gegebenheiten lange Zeit kaum möglich war. Klingt dieses Gericht noch vergleichsweise harmlos gewürzt, braucht man für viele andere eine gewisse Schärfetoleranz. Eine der liebsten Zutaten ist den Einheimischen nämlich der Peperoncino, was übersetzt „kleine Paprika“ heißt, aber eine Chili meint. Man verwendet sie bevorzugt getrocknet, und wer schon einmal in einem traditionellen italienischen Feinkostgeschäft war, wird sich an die leuchtend roten Bündel erinnern, die dort von der Decke hängen. Die beliebteste Sorte heißt nicht ohne Grund „Diavoletto“, Teufelchen, und besonders in den heißen Sommern schätzt man sie, weil sie durch ihre Feurigkeit den Schweißfluss anregen und damit zur Abkühlung beitragen. Zum Einsatz kommen sie auch im regionaltypischen Pastagericht, das die Abruzzen trotz ihrer langen geografischen Isolation genauso kennen wie der Rest des Landes. Spaghetti alla chitarra werden sie genannt, weil das Werkzeug zur Herstellung der Nudeln optisch stark an eine Gitarre erinnert. Es verleiht ihnen eine poröse Oberfläche, die sich perfekt dazu eignet, ein Maximum an Soße aufzunehmen, etwa eine „all’amatriciana“ aus den omnipräsenten Tomaten, ergänzt um Räucherspeck, Peperoncini und Pecorino - also dem Käse, nicht dem Wein.

 

So einfach die Küche der Abruzzen auf den ersten Blick wirkt, sie hält auch einige Überraschungen bereit. Denn obwohl außer vielleicht das hügelige Hinterland wenig an Toskana oder Piemont denken lässt, finden sich hier genauso wie dort feinste Trüffel in allen Variationen: der Burgunder- ebenso wie der schwarze Périgord- und sogar der weiße Albatrüffel. Und auch ein Gewürz, dass in Deutschland allenfalls in homöopathischen Dosen verwendet wird, hat in Abruzzen jeder Koch bei der Hand: den Safran, der in seiner Rohform als blühender Krokus die ansonsten ausgestorben wirkende Hochebene von Navelli mit einem violetten Teppich überzieht. Besonders Fischgerichten wie dem Brodetto verleiht er seine goldgelbe Farbe und leicht bitteren Geschmack. Und wirklich vollkommen ist das kulinarische Erlebnis um Spezialitäten wie Dornhai, Rochenflügel und Tintenfisch, wenn man in einem Trabucco speist, einer auf Stelzen ins Meer hinein gebauten Holzhütte, ehemals die windschiefe Behausung armer Fischer, heute hipper Gourmet-Treffpunkt.

 

Doch die 130 Kilometer lange Küstenlinie mit ihren malerischen Stränden ist nur eine Momentaufnahme, kann über die sich immer wieder ins Bewusstsein drängende Dominanz der Berge nicht hinwegtäuschen. Kaum zu glauben, dass man dort oben, gefühlt am Rande der Welt, nur anderthalb Stunden Autofahrt vom pulsierenden Rom entfernt sein soll. Man könnte glauben, sich im tiefsten Zentralasien zu befinden: so weit das Auge reicht Hochplateaus, die in weiten Teilen kaum zugänglich sind, und wenn, dann nur mit Führer oder Sondergenehmigung. Besonders zugänglich sind dafür aber die Weine - kaum eine größere Runde, die man mit Montepulciano oder Trebbiano nicht zufriedenstellen könnte. Auch wenn nach wie vor über die Hälfte der Erträge gar nicht den Weg in die Flasche findet, sondern in Fässer gefüllt und als sehr preisgünstiger Gastro-Wein rund um den Globus geschippert wird, ist die Anzahl der Jungwinzer in letzter Zeit stark gewachsen, das Preisniveau aber immer noch niedrig. Erfreulicherweise spielen für die meisten ambitionierten Weinbau-Neulinge internationale Sorten wie Merlot oder Chardonnay kaum eine Rolle. Neben den beiden zuverlässigen Zugpferden der Region sind es nämlich vor allem die unbekannteren Reben, die den Reiz Abruzzens ausmachen und in deren unangepasstem Geschmack man die Unverfälschtheit der Landschaft geradezu auf der Zuge spürt.

 

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