Weine aus Chile

Weine aus Chile

Es war ausgerechnet Augusto Pinochet, der 1974, kurz nach seiner Machtübernahme, den chilenischen Weinbau in größerem Stil wieder zuließ. Ein Gewaltherrscher als Weinliebhaber? Es wäre nicht das erste Mal in der Geschichte. Aber die Entscheidung geht wohl kaum auf die persönlichen Vorlieben des Generals zurück, war stattdessen angesichts der ultraliberalen Wirtschaftspolitik der Militärdiktatur nur konsequent: im Gegensatz zum Sozialismus Salvador Allendes, gegen den die Armee im Vorjahr geputscht hatte, setzten die neuen Machthaber auf Privatisierung und Deregulierung. Der Weinbau profitierte dabei eher beiläufig, denn in erster Linie sollte der Export von Kupfer, wichtigster Rohstoff des Landes, gefördert werden. Warum aber hatte die Weinerzeugung Chiles zur damaligen Zeit überhaupt so einen schweren Stand? Florierte das Business im direkt nebenan liegende Argentinien nicht und wartete jedes Jahr mit neuen Rekorderntemengen auf? Vorsicht, ein Vergleich mit den Nachbarstaaten ist in Chile immer ein gewagtes Unterfangen, bei einer solchen Debatte ist schnell Nationalstolz im Spiel und dieser ebenso schnell gekränkt. Auch und gerade in Sachen Alkohol.

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Im Detail

Chile

 

Um all das zu verstehen, müssen wir ein wenig weiter zurückreisen in die Vergangenheit, genauer gesagt ins Jahr 1551. Das Land selbst war den Europäern zu dieser Zeit schon seit einigen Jahrzehnten bekannt, auch die heutige Hauptstadt Santiago bereits gegründet. Wein gab es allerdings noch keinen - wie im gesamten Südamerika, das keine autochthonen Reben aufzuweisen hat. Ein Umstand, den der umtriebige Konquistador Francisco de Aguirre unbedingt geändert wissen wollte - nicht, weil er selbst so durstig gewesen wäre, sondern weil die Mönche und Priester der zahlreichen in dieser Zeit aus dem Boden schießenden Kirchen und Klöster Wein zur Feier des Messopfers brauchten. Die Stadt La Serena erkor er sich dafür aus, und so wurde diese auf Grundlage der aus Spanien importierten Reben País zum ersten Zentrum des chilenischen Weinbaus. Obwohl nicht viel Konkretes aus dieser Zeit überliefert ist, kann davon ausgegangen werden, dass das Land schon sehr bald einen regen Handelsverkehr mit anderen Staaten Süd- und Mittelamerikas aufnahm, die aus klimatischen Gründen zu eigenem Weinbau nicht in der Lage waren. Bereits im Jahr 1578 kaperten englische Freibeuter ein Schiff, das Aberhunderte Schläuche Wein nach Peru transportieren sollte. Die Weine waren zwar nur billige Massenware ohne jeden höheren Anspruch, entwickelten sich aber durch ihre schiere Menge zu einem nicht unbedeutenden Wirtschaftsfaktor.

 

Ironischerweise war es genau dieser frühe Erfolg, der dem Weinbau in Chile später zum ersten Mal das Genick brechen sollte. Denn das spanische Mutterland hatte zwar nichts dagegen, dass in Südamerika Wein angebaut, gehandelt und konsumiert wurde, aber sehr wohl etwas dagegen, dass dieser Wein sich seinen Weg auf die Iberische Halbinsel bahnte und dort zu einer ernsthaften Konkurrenz für die heimischen Winzer wurde. Zudem verschiffte man als Nebenerwerb gern selbst seine Überschüsse in die Kolonien. Also untersagte Madrid kurzerhand die Anpflanzung neuer Rebstöcke im gesamten Land. Viele Jahrzehnte versank Chile daraufhin in einen weintechnischen Dornröschenschlaf, aus dem es erst ab 1818, dem Jahr der chilenischen Unabhängigkeit, wieder wachgeküsst wurde. Verantwortlich dafür waren aber nicht in erster Linie die Chilenen selbst, sondern französische Einwanderer. Obwohl Chile hauptsächlich für seine große deutsche Einwanderer-Community bekannt ist, dominierten die Franzosen von Beginn an die Weinwirtschaft - die Deutschen brauten eher Bier. So ist es denn auch nicht verwunderlich, dass die meisten neu ins Land kommenden Rebsorten französischen Ursprungs waren und es bis heute geblieben sind: während in vielen anderen Teilen der Neuen Welt der Riesling irgendwann mal seine Wurzeln in die Erde geschlagen hat, ist er in Chile noch immer nahezu völlig unbekannt.

 

Besonders ein Mann erwarb sich höchste Meriten auf diesem Feld: Bertrand Silvestre Ochagavia Echazareta war es, der 1851 etliche Sorten einführte und damit nicht nur das Repertoire von einer Handvoll auf mehr als vier Dutzend erweiterte, sondern auch faktisch den Qualitätsweinbau im Land begründete. Eine Traube stach dabei schnell hervor und entwickelte sich in der Folgezeit zu einer Art Nationalgewächs, was sie mehr oder weniger bis heute geblieben ist - die Carménère. Ursprünglich stammt sie aus dem Bordelais, wo sie im 19. Jahrhundert als ein äußerst beliebter Verschnittpartner für Bordeauxweine galt, und auch heute noch ist sie unter den sechs dafür zugelassenen Rebsorten, auch wenn ihre Popularität sehr stark nachgelassen hat. Bei kühlerer Witterung neigt sie nämlich zum Verrieseln und liefert daher nur sehr unzuverlässige Erträge. Zumindest in Europa - denn in Chile mit seinen völlig anderen klimatischen Bedingungen stellte diese Eigenschaft plötzlich gar kein Problem mehr da. Insofern ist die Carménère wie auch der Malbec oder der Chenin Blanc eine jener Sorten, die es in der Ferne zu höherem Ansehen gebracht haben als in ihrer alten Heimat. Der Weg dorthin war gar nicht so leicht, denn zunächst blieb der Carménère die Anerkennung als eigenständige Rebsorte versagt: aufgrund ihrer optischen Ähnlichkeit zum Merlot wurde sie bis Mitte der 90er Jahre für ebendiesen gehalten, erst dann erklärte ein Gentest, warum die „Merlots“ aus Chile so anders schmeckten als im Rest der Welt. Gut, dass die Carménère ihren süffigen, tanninarmen und beerig-schokoladigen Geschmack mittlerweile wieder aufs eigene Konto verbuchen kann.

 

Die folgenden Jahrzehnte entwickelten sich für den Weinbau Chiles zu einem ersten goldenen Zeitalter. Man war nicht nur wirtschaftlich auf Kurs, wie die Gründung von noch heute maßgeblichen Betrieben wie Errázuriz oder Concha y Toro zu dieser Zeit belegt. Die geografische Randlage und die recht restriktive Einfuhrpolitik sorgten auch dafür, dass Chile von der vor allem in Europa wütenden Reblausplage, die dort neun von zehn Rebstöcken das Leben kostete, völlig verschont blieb - als einziges Land weltweit. Viele französische Winzer und Kellermeister, die in ihrer Heimat nach den Verheerungen des Schädlings keine Zukunft sahen, wanderten nach Chile aus und brachten ihre Expertise in den dortigen Weinbau ein. Nicht nur die Weine, sondern vor allem die Pflanzen selbst entwickelten sich gegen Ende des 19. Jahrhunderts zu einem begehrten Handelsgut, mit deren Hilfe die Weinberge in Ländern wie Frankreich wieder neu bestückt werden konnten.

 

Chiles Reben kamen schließlich aus ganz anderen Gründen ins Straucheln. 1920 brach mit den USA ein äußerst wichtiger Absatzmarkt weg - dort hatte man in jenem Jahr die Prohibition in die Verfassung geschrieben. Der damals und auch heute noch sehr kleine Binnenmarkt des nicht einmal 20 Millionen Einwohner zählenden Landes konnte das kaum ausgleichen. 1938 kam es dann noch schlimmer: in Chile selbst wurde ein faktisches Alkoholverbot verhängt. Über die Gründe ist nichts Genaues bekannt, aber ein Vorfall aus dem Jahr 2010 könnte aufschlussreich sein: damals wurden mehrere Bergleute in einem Schacht der unzähligen Minen des Landes verschüttet. Statt um etwas für den Zeitvertreib bis zu ihrer Rettung zu erbitten, forderten sie vehement Bier, Schnaps und Wein. Offensichtlich hatten viele von ihnen die unter Tage auftretenden Beklemmungen dauerhaft mit Alkohol im Zaum zu halten versucht und darüber eine Sucht entwickelt - bei der seit jeher enormen Bedeutung des Bergbaus für die chilenische Wirtschaft kann man sich ausrechnen, welche Ausmaße dieser Zustand unter der männlichen Bevölkerung angenommen haben musste. Bis zum heutigen Tage ist der öffentliche Konsum von Alkohol außerhalb der Gastronomie verboten.

 

Man darf jedoch nicht davon ausgehen, dass mit Pinochets Aufhebung des Wein-Banns direkt blühende Landschaften Einzug gehalten hätten: noch 1985 beliefen sich die Einnahmen aus dem Export des Rebensaftes auf gerade einmal zehn Millionen Dollar. Aber die Zielsetzung, Investoren ins Land zu locken, verfing tatsächlich: den Anfang machte der spanische Big Player Miguel Torres, der in einem millionenschweren Kraftakt die modernste Kellerei der Welt ins chilenische Niemandsland klotzte, später folgten weitere große Namen wie Mondavi oder Lafite-Rothschild. Freilich ist es nicht so schön, einen Großteil des chilenischen Weinbaus in der Hand ausländischer Konzerne zu wissen, anders wäre der Aufbau eines international konkurrenzfähigen Angebotes aber kaum möglich gewesen - zu gering war das Know-how, zu beschränkt die finanziellen Mittel, im Ausland zu wenig nachgefragt die dominierenden alten Rebsorten der spanischen Kolonialherren. Der weit verbreitete Viño Pipeño, einfacher Tischwein der Landbevölkerung, wich so dem Ausbau in Barriquefässern, der mit den vormals leichten und hellen Tropfen kaum mehr etwas gemein hatte. Innerhalb von etwas mehr als einer Dekade verfünfzigfachten sich die Exporteinnahmen, und in den späten 90ern konnte Chile sich als in der Weinwelt etabliert betrachten. Erst jetzt, als die Infrastruktur größtenteils bereitstand, vermochten auch die kleineren, einheimischen Winzer wieder ins Business einsteigen - wobei „klein“ relativ ist, denn darunter fallen in Chile eigentlich alle Betriebe, die nicht mindestens 100 Hektar aufzuweisen haben.

 

Und auch eine neue Rebsorte startete so richtig durch: der Cabernet Sauvignon betrat zu dieser Zeit die Bühne und verdrängte vor allem die lange Zeit dominierende, für Qualitätsweinbau aber weitgehend ungeeignete País. Als wärmeliebende Traube fiel ihm die Eingewöhnung in südamerikanische Gefilde leicht, und bereits nach wenigen Jahren Anbau brachte er bemerkenswerte Ergebnisse hervor. Selbstverständlich musste sich chilenischer Cabernet Sauvignon dabei in der Anfangszeit mit dem „Original“ aus Frankreich messen lassen, das sich vor allem durch seinen hohen Gehalt an Gerbstoffen und Säure auszeichnet und daher entweder einer mehrjährigen Kellerreife bedarf oder dem im Verschnitt mit weicheren Trauben wie dem Merlot die Kanten geschliffen werden. Die südamerikanische Stilistik ist eine deutlich andere: der Wein gerät immer noch tiefdunkel, aber deutlich samtiger und früher trinkreif. Wenn man ihn seinen eigenen Ausdruck finden lässt, muss man dazu sagen, denn gern und oft wird der Vorwurf erhoben, chilenische Weine seien zwar perfekt gemacht, im Grunde aber bloße Kopien weltbekannter Vorbilder aus der Toskana und dem Bordelais. Machen also Europäer in Südamerika Wein für Europäer? Fehlt dem hiesigen Weinbau eine eigene Identität?

 

So einfach ist es dann doch nicht. Dafür sorgen allein schon die sich fundamental von Europa unterscheidenden geografischen Gegebenheiten. Kaum eine Weinnation weist auf vergleichsweise so geringer Fläche eine derart große landschaftliche und klimatische Vielfalt auf wie Chile. Das hängt mit seiner äußeren Form zusammen: während es stellenweise nur wenige Dutzend, höchstens aber 200 Kilometer breit ist, erstreckt es sich in der Länge über sagenhafte 4300 Kilometer, die Küstenlänge beträgt sogar 6000 Kilometer - auch wenn ernstzunehmender Weinbau sich auf das Gebiet zwischen La Serena und Temuco beschränkt. Der Pazifische Ozean ist dabei nie weit entfernt und darum auch einer der wesentlichen Faktoren für die Entwicklung der Reben - die ohnehin schon mäßigende Wirkung großer Gewässer auf das Klima wird hier durch den aus der Antarktis kommenden Humboldtstrom noch einmal verstärkt. Das mag einem zunächst wenig einleuchtend erscheinen, wenn man sich in den nördlichsten chilenischen Anbaugebieten aufhält: diese liegen in der Atacama-Wüste, einem ausgesprochen heißen und trockenen Ort. Hier baut man höchstens Tafeltrauben an - oder aber Wein als Grundlage für die Herstellung von Pisco. Der Weinbrand gilt als nationales Kulturgut und erfreut sich gerade unter jungen Chilenen noch deutlich größerer Beliebtheit als die Weine des Landes. Insbesondere als „Piscola“, gemischt mit ebenjenem Softdrink, ist er aus dem Nachtleben nicht wegzudenken, aber auch als etwas gediegenerer Pisco Sour macht er eine gute Figur. Zumeist wird er aus Muskatellertrauben gebrannt, was seinen fruchtig-floralen Geschmack begünstigt. Obwohl auch im benachbarten Peru Pisco hergestellt wird, wo er einen ähnlichen Status wie in Chile genießt, wird man einen von dort stammenden in Chile nicht finden: beide Länder streiten erbittert darum, wem der Schnaps nun „gehört“ und haben sich in dieser Hinsicht gegenseitig mit einem Einfuhrbann belegt.

Wir haben schon so einige Worte über chilenische Rotweine verloren, aber noch kein einziges über Weißwein. Dabei spielt auch dieser eine große Rolle: immerhin ein Viertel der gesamten Produktion entfällt darauf. Will man das darin liegende Potenzial ergründen, reist man am besten von der Atacama aus ein gutes Stück nach Süden ins Valle de Casablanca. Anders als die meisten Täler Chiles dehnt es sich nicht von Nord nach Süd aus, sondern von Ost nach West, womit es sich zum Ozean hin öffnet - beste Bedingungen für Cool-Climate-Anbau. Die vom Pazifik hereinströmende kühle Luft tut dem Chardonnay gut, der zudem in kalkhaltigen Untergründen optimale Bedingungen findet. Zur absoluten Hochform läuft auch der Sauvignon Blanc auf: duftig und hocharomatisch gerät er auf Ton- und Sandböden, dabei glasklar und frisch.

 

Gehen wir nun über die Hauptstadt Santiago hinaus weiter südlich, gelangen wir in die Herzkammer des chilenischen Weinbaus, eingebettet zwischen den eher flachen Küstenkordilleren auf der einen und den bis auf über 6000 Meter anwachsenden Anden auf der anderen Seite, hinter denen direkt Argentiniens Vorzeige-Weinregion Mendoza beginnt. Im Unterschied zum Valle de Casablanca sind die Täler im Valle Central sehr heiß - zumindest tagsüber, wo sich die Wärme im Talkessel staut und die Temperaturen auf über 30 Grad klettern. Nachts hingegen kühlt es auf unter 10 Grad ab. Es ist dieser harte Kontrast, der die Säure in den Trauben lebendig hält und verhindert, dass die Weine später einen marmeladig-fetten Geschmack an den Tag legen wie viele australische Tropfen. Trockenstress hingegen brauchen die Rebstöcke kaum zu fürchten, denn aus den Höhenlagen der Anden lässt sich durch schon von den Inkas angelegte Kanäle Schmelzwasser zur Bewässerung herableiten, wenn nicht sogar gleich ein ebenfalls dort entspringender Fluss in der Nähe ist. Von der noch bis vor einigen Jahrzehnten üblichen Technik der Überschwemmung ganzer Weinberge ist man inzwischen vielerorts auf zielgerichtetere Herangehensweisen umgeschwenkt - nicht nur, um Ressourcen zu schonen (das ist in Südamerika tatsächlich eine eher weniger ausgeprägte Tugend…), sondern eher, um eine Ertragsreduzierung und damit hochwertigeres Lesegut zu erreichen. Wie sehr man jedoch vielerorts vom künstlich zugeführten Wasser abhängig ist, wird deutlich, wenn man sich vor Augen führt, dass der vollständige Verzicht darauf, das „Dry Farming“, noch immer als recht spleeniger Trend betrachtet wird.

 

Da das Valle Central insgesamt fast 1000 Kilometer lang ist und neun von zehn chilenischen Weinen hervorbringt, kann man kaum erwarten, hier einen einheitlichen Stil vorzufinden. Die unbestritten beste Subregion, das Valle del Maipo, liegt praktischerweise nur 40 Kilometer von Santiago entfernt, was Touristen einen unkomplizierten Tagesbesuch ermöglicht - am besten natürlich zur Zeit der Lese, die, wir befinden uns ja auf der Südhalbkugel, in der Regel im Februar stattfindet. Im mediterranen Klima gedeihen alle uns schon bekannten Sorten, und auch noch einige weitere wie Cabernet Franc oder Rhone-Reben wie Syrah, Grenache und Carignan. In Maipo Alto auf 800 Metern finden sich dank der kargen Felsböden vor allem Rotweine, die mit feinster Struktur und ordentlich Tannin punkten, während in der mehrere hundert Meter niedriger gelegenen Talsohle Maipo Medio mit seinen lehmig-sandigen Schwemmlandböden und hoher Sonneneinstrahlung fruchtbetonte Rote mit seidig-schmelziger Textur entstehen. In Maipo Costa in direkter nähe zum Pazifik hingegen liegt dank der kühleren Temperaturen der Hotspot für Weißweine.

 

Die wohl interessantesten Entdeckungen aber kann man im chilenischen Süden, auf Höhe der zweitgrößten Stadt Concepción, machen. Ganz im Gegensatz zum Norden ist es hier eher kühl, windig und regnerisch, teilweise geradezu sumpfig. Das gerne mal an Nordspanien erinnernde Klima ist aber nicht der einzige Unterschied, auch die Atmosphäre ist eine ganz andere. Während in alten Regionen wie Colchagua, wo sich einst reiche Städter aus der nahegelegenen Kapitale gigantische Haziendas mit Weingüter zulegten, auf denen sie erst Poloturniere und dann Autorennen veranstalteten, jedenfalls alles in allem mehr wie großspurige Kolonialherren denn wie fleißige, erdverbundene Weinbauern auftraten und -treten, während in solchen Regionen Weinbau also immer auch Show, immer auch Selbstdarstellung ist, herrscht im Valle del Bío-Bío oder im Valle del Itata eine Art heilsame Stille. Der Fokus auf das Wesentliche wird möglich. Wo früher die Trauben nicht einmal vollständig ausreifen konnten, werden heute dank der Erderwärmung auf den ältesten Granitböden des Kontinents beeindruckende Pinot Noirs und Cinsaults, aber auch Sémillons und Viogniers gekeltert: fruchtbetont, leicht und frisch, wenig Alkohol - hier könnte die Zukunft des chilenischen Winzertums beginnen.

 

Und wie sieht diese Zukunft ganz allgemein aus auf den knapp 190 000 Hektar, die hier bewirtschaftet werden und das Land zur achtgrößten Weinbaunation der Welt machen? Nicht ganz einfach zu beantworten. Zwar wuchs die Rebfläche in den vergangenen 30 Jahren ordentlich an, während sie in vielen klassischen Weinländern im Sinken begriffen war, und das bei einem dauerhaft guten Preis-Leistungs-Verhältnis. Der schnelle und geräuschlose Wechsel von nichtssagenden Massenträgern auf Qualitätsweine und das zielsichere Erkennen und Fördern optimaler Anbaubedingungen sprechen für sich - das Bonmot, bei Chile handele es sich um das Preußen Südamerikas, scheint in dieser Hinsicht seine Bestätigung zu finden. Auch der in Übersee vielerorts noch skeptisch beäugte Terroirgedanke, demzufolge ein Wein seine lokale Herkunft unmittelbar schmeckbar machen sollte, weicht langsam dem bloßen Fokus auf die sehr großen Subregionen. Chiles Weinbau ist jedoch nach wie vor extrem exportabhängig und reagiert empfindlich auf Störungen der internationalen Handelswege, etwa während Corona. Die mittlerweile eher Bier als Wein trinkenden Chilenen sind beim Absatz keine allzu große Hilfe. Darüber hinaus stellt auch die Natur die chilenischen Winzer immer wieder vor Herausforderungen: nicht nur die zunehmende Hitze bereitet Probleme, Erdbeben stellen ein ebenso großes Risiko dar. Allerdings sind die natürlichen Gegebenheiten nicht nur Fluch, sondern mindestens im gleichen Maße Segen: zwischen dem 30. und dem 38. südlichen Breitengrad, wo sich der chilenische Weinbau zum größten Teil abspielt, ist die Vielfalt an Klimaten und Bodenvariationen derart groß, dass man recht flexibel auf Veränderungen reagieren kann. Zudem scheinen Schädlinge und Krankheiten das Land kategorisch zu meiden: neben der Reblaus hat es auch der Falsche Mehltau bis heute nicht hierher geschafft, was den Winzern ermöglicht, auf einen Gutteil an Pflanzenschutzmitteln zu verzichten. Das unschätzbare Erbe an teils mehrere hundert Jahre alten, wurzelechten Reben tut sein Übriges.

 

Am wichtigsten jedoch wird in den kommenden Jahren die Emanzipation von ausländischen Investoren sein. Klar, Chile verdankt Ländern wie Frankreich sehr viel in Sachen Weinbau. Zur Wahrheit gehört aber auch, dass etliche europäische und nordamerikanische Weingüter mit Besitz in Chile die dortige Weinwirtschaft als Massenwein-Melkkuh nutzen und Spitzenerzeugnisse bewusst nicht zulassen, damit diese nicht in Konkurrenz zu ihren hauseigenen Topweinen treten. Der am meisten globalisierten Weinbaunation der Welt täte ein bisschen Unabhängigkeit ganz gut. Und damit haben die Chilenen schließlich Erfahrung.

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