Ein Erfahrungsbericht:
Manche Geschichten sind schon ziemlich kurios, enden zuweilen aber für die Betreffenden mehr als grandios. Seit fast einem Vierteljahrhundert träume ich davon, den Wein der Weine verkosten zu dürfen. Ein mehr als mystischer Name für alle Weinbekloppten: Romanée Conti von der Domaine de la Romanée Conti. Als mich die E-Mail eines befreundeten Winzers erreichte, er würde nächste Woche dieses Weingut besuchen, lag es nahe, diesen Bodeguero vor die Wahl zu stellen, mich mitzunehmen oder mit der Konsequenz leben zu müssen, das ich eingeschnappt bin und bei ihm keine Flasche Wein mehr kaufen werde. Flugs wurde eine weitere Reiseperson beim Weingut angemeldet und die Vorfreude war über eine Woche wie bei einem Kind, das sich auf Weihnachten und den real existierenden Weihnachtsmann freut. In der Regel werden solche Vorfreuden von den tatsächlichen Ereignissen nicht bestätigt. Auch wirkte die Region rund um Vosne-Romanée eher verschlafen, die Weinhügel eher belanglos und auch unspektakulär. Ein berühmter Weinname nach dem anderen und wirkliche Unterschiede lassen sich auf Anhieb nicht erkennen. Nur die Pflanzdichte der Rebstöcke und der perfekte Zustand in denen die Weinreben in ihrem jeweiligen Terroir eingebettet sind, lassen Unterschiede zu anderen Regionen dieser Erde erkennen. Jede Weinlage wirkte für sich wie ein kleines Universum. Nie aufregend, aber immer anders als die jeweilige Nachbarlage.
Nach dem Besuch diverser Spitzendomaines in Vosne-Romaée und Gevrey-Chambertin, war es dann endlich soweit. Um Punkt 18°° Uhr öffnete der Kellermeister Bernart Noblet die großen roten Tore, hinter denen sich der Traum der Träume verbirgt. Zunächst organisierte er einige Probiergläser, um dann geschwind mit uns durch den Arbeitsbereich in den Weinkeller zu eilen. Die Fassproben des Jahrgangs 2009 wirkten auf der einen Seite unreal und auf der anderen Seite aufregend. Die Lage Grands Echezeaux begann mit seiner Qualität dort, wo all die anderen Topweingüter quasi aufhören. Kraftvoll, kompakt und doch mit Finesse. Der folgende Romanée St. Vivant wirkte zunächst wie eine Balletttänzerin; zart, elegant und feingliedrig. Beim Nachschmecken zeigt sie aber Säure und Biss. Bernhart verglich diese Lage mit einer Katze. Sie ist friedlich, schnurrt fein und hat ein weiches Fell, doch wenn sie ihre Krallen ausfährt, ist sie mehr als präsent. Eine mehr als treffende Beschreibung! Der darauf folgende Richebourg wirkte wie eine Fruchtbombe. Der erste Gedanke war dies ist eine Wein aus der neuen Welt, wie ein überkonzentrierter Wein aus Oregon, der allerdings sehr starke Cassisaromen aufwies. Im Mund und Nachklang zeigte sich aber immer mehr die Klasse dieses Produktes: Sauber und omnipräsent am Gaumen. Ein maskuliner Burgunder! Darauf folgte aus verschiedenen Fässern der La Tache. Er überströmte den ganzen Kopfbereich mit einer Kraft und Intensität wie ein sich zu schnell ausbreitendes Buschfeuer. Eine Mischung aus einem Boxer, der über 15 Runden geht, und einer leichtfüßigen Primaballerina, die über dem Boden schwebt. Dann war es endlich soweit: Der Romanée Conti wurde aus dem Fass gezapft. Nach mehrmaligem Nase in das Glas halten war für mich klar, das dieser Wein anders ist als alles andere was ich bisher probieren durfte. Rein, klar und auf das Wichtigste reduziert: Ein Duft, der einem quasi zuruft: Trink mich!. Erst einmal im Körper angelangt, strömt dieses Elixier durch alle Körperadern und belebt diesen in einer ungeahnten Art und Weise. Wie kleine Atome scheinen die Geschmacksunterschiede wahrnehmbar, dabei immer wie ein Engel, nein einer Göttin gleich, fließend, unfassbar elegant und unendlich intensiv. Der Abgang geht minutenlang in Intervallen vor sich.
Die Blicke aller Beteiligten verstanden sich auf einmal blind: Ein einmaliges Geschmackserlebnis und das Beste was alle in flüssiger Form jemals zu sich genommen haben.
Name und Adresse des Erzeugers/Abfüllers: Domaine de la Romanée Conti Vosne-Romanee - Burgund - Frankreich